Jörg Prophet gibt sich als einer der Gemäßigten in der AfD. In seinem Wahlkampf war von Radwegen die Rede, von lokaler Wirtschaft, vom öffentlichen Nahverkehr. Auf seiner Internetpräsenz sogar von der CO2–Bilanz der Stadt Nordhausen, die er mit Baumpflanzungen aufbessern will, und von Nachhaltigkeit.
Alles ganz bürgerlich also? Leider nein. Zum 75. Jahrestag der Bombardierung Nordhausens schrieb Prophet in einem Text für seinen AfD-Kreisverband, dass für ihn die Deutschen und die Japaner die wahren Opfer des Zweiten Weltkrieges seien, dass die amerikanischen GIs, die das KZ Mittelbau-Dora befreit haben, moralisch ebenso verkommen gewesen seien wie die SS, die allein in den Stollen vor den Toren der Stadt 20.000 Menschen aus halb Europa zu Tode geschunden hatte. Noch unmoralischer aber seien heutige Sozialisten; die die Großelterngeneration als „Täter“ bezeichneten und „Schuldkult“ betrieben. Dies ist in den Augen von Jörg Prophet „Volksverhetzung“.
Prophet hat Chancen ins Rathaus als Oberbürgermeister einzuziehen
Dieser Mann spricht die Sprache von Neonazis, von rechtsextremen Geschichtsrevisionisten. Nichts daran ist gemäßigt. Und er ist auf dem besten Wege, als Oberbürgermeister ins Rathaus von Nordhausen einzuziehen. Prophet hat fast 20 Prozentpunkte Vorsprung vor seinem parteilosen Konkurrenten, gegen den er in zwei Wochen in die Stichwahl geht. Vier von zehn Wählern in Nordhausen haben ihm schon gestern das Vertrauen geschenkt, ihre Stadt in der Öffentlichkeit zu repräsentieren.
Eine Stadt, in der lange Sozialdemokraten regiert haben. Eine Stadt, die für Industrie und Kultur steht, mit Hochschule und Theater, die die Turbulenzen der 90er-Jahre vergleichsweise gut überstanden hat. Mit einer Partnerstadt in Israel und guten Beziehungen zu Opferverbänden, die regelmäßig anreisen, um der Toten des KZs zu gedenken.
Einen Oberbürgermeister, der ihre amerikanischen Befreier mit ihren Mördern gleichsetzt, der nichts mehr wissen will von Verantwortung, der nicht unterscheiden will zwischen Opfern und Tätern, werden KZ-Überlebende nicht besuchen. Das haben sie schon öffentlich erklärt. Ein Oberbürgermeister, der wie alle AfD-Funktionäre an Gedenktagen Hausverbot hat in der KZ-Gedenkstätte auf dem Gebiet seiner Stadt, wäre ein Novum. Eines, das sich die Nordhäuser nicht wünschen können. Nicht nur aus Respekt vor den Opfern und Überlebenden, sondern aus Selbstachtung.
Sonneberg und die Wahlempfehlung
Die meisten Parteien von Linken bis zur CDU scheuen sich nun noch, öffentlich zur Wahl des parteilosen amtierenden Bürgermeisters aufzurufen. Weil sie bei der Wahl des Landrats im Kreis Sonneberg im Juni lernen mussten, dass so eine Wahlempfehlung auch das Gegenteil bewirken kann: die Solidarisierung mit dem AfD-Kandidaten, der just ins Landratsamt einzog. Wer Geschichte und Fakten zur Unkenntlichkeit umdeutet, kann mit der Solidarität einer wachsenden Menge von Menschen rechnen.
Das lässt nichts Gutes für die Kommunal- und Landtagswahlen im kommenden Jahr erwarten. Man kann Politikern vieles vorwerfen: Aber die Verantwortung dafür, dass sie gewählt werden, liegt immer noch bei jedem einzelnen Wähler.