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Kommentar zum Zustand der CDU
Die versammelte Ratlosigkeit

Der AfD-Wahlerfolg in Sonneberg habe abermals gezeigt, dass der CDU eine Strategie fehle, um als Alternative zur Ampel-Regierung wahrgenommen zu werden, kommentiert Katharina Hamberger. Auch der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz wirke eher ratlos.

Ein Kommentar von Katharina Hamberger | 01.07.2023
Friedrich Merz, CDU-Vorsitzender, nimmt nach der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU an einer abschlieÃenden Pressekonferenz teil. Die Veranstaltung fand in der CSU-Parteizentrale statt
Angetreten um die Partei wieder zu einen - der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz (picture alliance / dpa / Peter Kneffel)
Nach der Wahl in Sonneberg konnte man es wieder beobachten: Die CDU hat sich immer noch nicht selbst gefunden. Ihr fehlen die Rezepte, um als echte Alternative zur Ampel-Regierung wahrgenommen zu werden. Sie profitiert kaum von Streitigkeiten innerhalb der Koalition. Anders als die in Teilen rechtsextreme AfD.

Friedrich Merz' erster Impuls am Tag nach der Wahl in Sonneberg: Voll drauf auf die Grünen. Jetzt ist das an sich nicht verkehrt, wenn demokratische Parteien die Auseinandersetzung untereinander suchen. Denn es braucht diese innerhalb ses demokratischen Spektrums, dort muss das Ringen um die besten Ideen stattfinden, um der AfD die Luft wegzunehmen und sie rechts liegen zu lassen.
Es ist aber auch eine Frage, wie man dies kommuniziert und wie die Auseinandersetzung dann stattfindet. Wenn Merz also die Grünen zunächst zum Hauptgegner erklärt, muss er sich nicht wundern, wenn gefragt wird, was die AfD dann für die Union ist. Dass Merz keine Annäherung an die AfD will, auch keine Zusammenarbeit und ihr am liebsten wieder Wähler und Wählerinnen abnehmen will, hat er durchaus deutlich gemacht – deshalb wäre von vornherein angebracht gewesen, was Merz erst am Freitag nach der gemeinsamen Präsidiumssitzung von CDU und CSU getan hat - fast eine Woche nach Sonneberg: klarzustellen, dass die AfD für ihn nicht einfach eine Gegnerin und Wettbewerberin ist, sondern eine Feindin der Demokratie. Bei den Grünen gehe es hingegen um die Auseinandersetzung in der Sache.

Alte Konflikte brechen wieder auf

Dazu gehört dann aber auch, sich nicht im Ton zu vergreifen. Es ist natürlich völlig legitim, Probleme anzusprechen, auch Emotionen von Bürgerinnen und Bürgern aufzugreifen. Es müssen dann aber auch Lösungen folgen und die Erklärung, warum die manchmal nicht einfach, sondern meist komplex sind. Ebenso sollten Halbwahrheiten, schrille Beschimpfungen und Diskreditierung des politischen Wettbewerbers nicht zum Repertoire gehören – nicht nur, weil die CDU mit den Grünen in einigen Ländern erfolgreich regiert und das vielleicht auch irgendwann im Bund tun muss, sondern auch, weil es Vertrauen in politisches Handeln schwächt und genau das der AfD nutzt.
Ein Problem für Merz: Sein Auftreten sorgt mal wieder für Irritation in Teilen der Partei. Dabei war seine Wahl zum Parteivorsitzenden mit viel Hoffnung verbunden: dass die Streitigkeiten in der CDU endlich aufhören, dass man wieder in Umfragesphären kommt, die an alte Zeiten anknüpfen und dass ein Friedrich Merz der Partei vor allem auch im Osten einen Schub geben kann.
Zugegeben: Die Gemengelage für die CDU und ihren Chef ist nicht einfach. Sie kam nach 16 Jahren Angela Merkel ziemlich ideenlos daher, hat nicht rechtzeitig gegengesteuert. Das aufzuholen dauert. Auch hat sich die Parteienlandschaft verändert, sie sieht zudem im Osten anders aus als im Westen und die Bindung von Wählern und Wählerinnen an eine Partei ist nicht mehr so stark.

In diesem Umfeld wollte man, dass Merz die Partei wieder eint. Anfangs rissen sich alle zusammen, optimistisch gestimmt, aber nun brechen langsam die alten Konflikte und Richtungsstreitigkeiten wieder auf. Fragt man zum Beispiel in der Partei nach den Rezepten gegen die AfD bekommt man viele unterschiedliche Antworten.

Merz wirkt ratlos und dünnhäutig


Nun muss eine Volkspartei immer unterschiedliche Meinungen aushalten, der Spagat gehört dazu. Das darf nur nicht in einer Vielstimmigkeit enden, die Wähler und Wählerinnen orientierungslos zurücklässt. Es ist am Ende Merz' Aufgabe, dass dieser Eindruck nicht entsteht – stattdessen wirkt er im Moment eher ratlos und dünnhäutig.

Kann er die Partei wieder nach vorn bringen? Das ist innerhalb der Partei nicht mehr unumstritten. Die Einlassungen von Daniel Günther und Hendrik Wüst muss der CDU-Chef als deutliche Warnschüsse verstehen.

Das alles passiert auch nicht im luftleeren Raum. Denn es stehen wichtige Landtagswahlen an. Denen in Bayern und Hessen kann die Union – Stand jetzt – relativ gelassen entgegensehen. Aber im kommenden Jahr ist nicht nur Europawahl – sondern auch Thüringen, Sachsen und Brandenburg wählen einen neuen Landtag. Bislang liegt die CDU in allen drei Bundesländern laut Umfragen hinter der AfD. Die Hoffnung, dass das am Ende schon gut gehen wird, wie 2021 in Sachsen-Anhalt, hat Sonneberg gerade widerlegt. Die CDU und Friedrich Merz brauchen also eine Strategie, die nicht nur von der Profilierung gegen die Grünen lebt. Viel Zeit dafür haben beide nicht mehr.