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Gaslieferungen aus Russland
Deutschland ist mitschuldig am Krieg gegen die Ukraine

Noch immer schrecke die Bundesregierung auf den Verzicht von Gaslieferungen aus Russland zurück – auch, weil die Industrie einen Verlust von Arbeitsplätzen befürchtet. „Das ist schäbig, und es ist auch kurzsichtig, nicht alles, was möglich ist, einzusetzen, um Putin zu stoppen“, kommentiert Thomas Franke.

Von Thomas Franke |
Eine Gasleitung ist im Keller von einem Mehrfamilienhaus zu sehen.
Das Geld, mit dem Russland diesen Krieg finanziert, stammt zu einem relevanten Teil aus dem Export von Rohstoffen, kommentiert Thomas Franke (picture alliance/dpa | Sven Hoppe)
Immer noch schreckt die deutsche Regierung vor dem wirksamsten Mittel zurück, um Russland so unter Druck zu setzen, dass dieser Krieg gestoppt wird. Gas. Gas ist eine zentrale Waffe Russlands im Krieg gegen die Ukraine. Es dient seit mehr als 20 Jahren zur Erpressung der EU und besonders der Bundesrepublik.
Alle Bundesregierungen seit der Kanzlerschaft von Gerhard Schröder haben da mitgemacht. Und sind damit, das muss man man klar sagen, mitschuldig am Krieg gegen die Ukraine und an den Massakern.

Russland braucht deutsches Geld

Warnungen gab es genug. Beschönigungen fast noch mehr. Die vorige Bundesregierung versicherte 2018, sich im Zusammenhang mit der unsäglichen Pipeline Nordstream 2 mit der russischen Regierung auf Garantien für die Ukraine geeinigt zu haben. Da lief der Krieg gegen die Ukraine bereits seit vier Jahren. Und die Vertragsbrüche häuften sich.  Noch vor einem Jahr verteidigte Bundespräsident Steinmeier die Pipeline Nordstream als die „fast letzte Brücke“ nach Russland.
Das Geld, mit dem Russland diesen Krieg finanziert, stammt zu einem relevanten Teil aus dem Export von Rohstoffen. Es ist deutsches Geld. Und es ist für die russische Regierung existentiell notwendiges Geld.
Wie wichtig dieses Geld ist, wurde Anfang der vergangenen Woche deutlich. Zunächst hatte die russische Regierung auf Geheiß des russischen Präsidenten versucht, den Niedergang des Rubels und ihrer Wirtschaft zu stoppen. Abnehmer sogenannte unfreundliche Staaten sollten Gaslieferungen nur noch in Rubel bezahlen dürfen. Unfreundliche Staaten sind selbst die, die nur halbherzige Konsequenzen aus dem Vernichtungsfeldzug Russlands gegen die Ukraine ziehen. Dann stellte die russische Führung offensichtlich fest, dass sie zu weit gegangen war. Mitte der Woche rief Präsident Putin bei Bundeskanzler Olaf Scholz und dem italienischen Ministerpräsidenten Mario Draghi an. Man könne das Gas auch in Zukunft in Euro bezahlen, über die Gazprombank.

Warum ist Gazprombank nicht auf der Sanktionsliste?

Über die Gazprombank? Man reibt sich die Augen. Warum ist die eigentlich nicht auf der Sanktionsliste? Eine Bank, die im Zuge der Panama-Papers in der Schweiz wegen Geldwäsche verurteilt wurde, deren Nähe zu führenden russischen Politikern und Putin bekannt ist. Eine Bank, die sich über Gazprom-Media auch an der medialen Gehirnwäsche der Bevölkerung beteiligt. Wenn man Konsequenzen nicht durchzieht, dann sind sie keine.
Der Krieg in der Ukraine ist längst ein Vernichtungsfeldzug gegen die Ukrainer geworden mit nachgewiesenen Zeichen von Völkermord. Und wir können nach einem milden Winter nicht auf Gaslieferungen verzichten und vorübergehende Einschränkungen in Kauf nehmen?
In der letzten Woche meldete sich besonders die Chemieindustrie wortgewaltig: Ganze Produktionen seien in Gefahr, Arbeitsplätze. Als wir vor zwei Jahren begannen, ein tödliches Virus zu bekämpfen, wurden ganze Branchen in die Ruhepause geschickt. Allein im Hotel und Gaststättengewerbe waren mehr als 1 Million sozialversicherte Arbeitsplätze betroffen plus die vielen Minijobber in der Branche. Bei der Chemie reden wir, inklusive der angeschlossenen Plastikverarbeitung, über nicht mal die Hälfte der Arbeitsplätze.

Der Krieg kann sich ausweiten

Das ist schäbig, und es ist auch kurzfristig, nicht alles, was möglich ist, einzusetzen, um Putin zu stoppen. Denn die Gefahr, die derzeit von Russland ausgeht, ist grenzüberschreitend. Dieser Krieg kann sich ausweiten, auf andere ehemalige Sowjetrepubliken wie Georgien und Moldowa, auf NATO-Staaten im Baltikum und Polen, auf Deutschland. Sind diese Arbeitsplätze so wertvoll, dass wir die Massaker in Kauf nehmen, dass wir Millionen Vertriebene akzeptieren? Dass wir das Risiko in Kauf nehmen, Ziel russischer Aggression zu sein?
In den letzten 20 Jahren hat die deutsche Industrie Putin groß gemacht, indem sie unter anderem sein Propagandafernsehen mit Werbung finanzierte. Seit dem Beginn des Krieges 2014 ziehen deutsche Unternehmen keine ausreichenden Konsequenzen aus der Besatzung der Ukraine. Seit dem 24. Februar bremsen sie wirkungsvolle Sanktionen. Viele scheinen immer noch getrieben von dem Wunsch einer baldigen Rückkehr zu Business as usual.
Die deutsche Industrie wird zunehmend zu einem Sicherheitsrisiko. Es wird Zeit, dass der Gesetzgeber darauf reagiert. Mit einem sofortigen Stopp aller Rohstoffimporte aus Russland. Und dann brauchen wir dringend eine Risikoabschätzung für Geschäfte mit autoritären Staaten. Denn Russland ist erst der Anfang. Dann kommt China.