Freitag, 19. April 2024

Kommentar: Flüchtlingspolitik
Hilflose, populistische Signale

In der Debatte zwischen Bund, Ländern und Kommunen um Flüchtlingsunterbringung werde derzeit vor allem lamentiert und über-dramatisiert, meint Christoph Richter. Notwendig seien mehr Pragmatismus und politische Lösungen statt Populismus.

Ein Kommentar von Christoph Richter | 08.05.2023
Wohncontainer einer Flüchtlingsunterkunft stehen im Dresdner Stadtteil Sporbitz.
Wohncontainer einer Flüchtlingsunterkunft stehen im Dresdner Stadtteil Sporbitz. (picture alliance / dpa / Sebastian Kahnert)
Für Missfallen sorgt das Agieren der SPD-Bundesinnenministerin Nancy Faeser, die aus Sicht der kleinen und mittleren Rathauschefs viel redet, aber keine Euros zur Flüchtlingsunterbringung rüberreicht.

Bund, Länder und Kommunen wurschteln vor sich hin

Das Problem: Es wird lamentiert, aber es gibt keine Vernetzung für einen gemeinsamen Überblick über freie Kapazitäten. Bund, Länder und Kommunen wurschteln vor sich hin, bringen schlicht zusammen nichts auf die Beine. So könnte man ja einmal schauen - über Landkreis und Ländergrenzen hinweg - wo freie Kapazitäten sind. Denn die gibt es.
Da reicht ein Blick nach Brandenburg. Die Erstaufnahme-Einrichtungen sind mitnichten überfüllt. Denn - das ist landesweit bekannt - fast die Hälfte aller Kapazitäten stehen derzeit leer. Und bei der Weiterverteilung der Geflüchteten in die Kommunen: Auch da ist Luft. Die Landkreise und kreisfreien Städte würden permanent neue Unterbringungsmöglichkeiten melden, heißt es beim zuständigen Brandenburger Integrationsministerium. Und die – wie es heißt – „Zugangseinschätzung“ liege weit unter der Zahl des letzten Jahres, als Brandenburg knapp 39.000 Geflüchtete aufgenommen hat. Das klingt doch eher nach: „Wir haben die Situation im Griff“ statt „wir können nicht mehr“.

Deutschland hat ein Verteilungsproblem

Und wenn man sich dann noch die Zahl der leerstehenden Wohnungen anschaut – bundesweit sind es rund 1,6 Millionen – dann wird es noch deutlicher: Deutschland hat es mit einem Verteilungsproblem zu tun. Und ist mitnichten überfordert. Die für diese Stimmung sorgen, sind Politiker wie Brandenburgs CDU-Innenminister Michael Stübgen, der eine „Migrationsbremse“ fordert oder über ein „massives Integrationsversagen durch Überlastung" lamentiert. Da wird Stimmung gemacht.
Was auch nicht hilft, sind populistische Rufe - desselben Ministers - nach Grenzkontrollen nach Tschechien oder Polen. Denn offene Grenzen sind in Brandenburg an Oder und Neiße unerlässlich für das Zusammenleben in einer europäischen Region. Grenzkontrollen wollen wir nicht, sagen die Menschen vor Ort. Auch der polnische Bürgermeister Bartlomiej Bartczak - der deutsch-polnischen Doppelstadt Guben/Gubin - lehnt sie ab. Ebenso kann der tschechische Ministerpräsident Petr Fiala mit Grenzkontrollen nichts anfangen.

Grenzschutz und illegale Migration

Was gegen illegale Migration helfen würde – hört man immer wieder von Kommunalpolitikern in der Grenzregion – wäre eine deutlich verbesserte Kooperation zwischen der Landes- und Bundespolizei. Weil man so im grenznahen Raum mehr Grenzkontrollen durchführen könnte. Doch genau das ist nicht möglich, denn für den Grenzschutz ist bislang nur die Bundespolizei zuständig. Da gibt es noch dringenden Veränderungsbedarf. 
Was es braucht, sind politische Lösungen. Keine „Das Boot ist voll“-Rhetorik, keine Über- Dramatisierung. Weniger Populismus, mehr Pragmatismus.