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Kommentar zum Synodalen Weg
Mit Kompromissen zur kirchlichen Erneuerung

Segensfeiern für alle Paare, die sich lieben: Die katholische Kirche in Deutschland werde sich durch den Reformdialog zwischen Laien und Bischöfen sichtbar verändern, kommentiert Andreas Main. Auch wenn manches Reformpapier abgeschwächt wurde.

Ein Kommentar von Andreas Main |
Eine Frau hält bei Protesten am Rande der Synodalversammlung einen Regenschirm mit der Aufschrift "Jesus hatte auch zwei Väter".
Protest am Rande der Synodalversammlung: Die deutschen Katholiken haben ihren Reformprozess vorläufig abgeschlossen. In Zukunft wollen sie auch gleichgeschlechtliche Paare segnen. (picture alliance / dpa / Arne Dedert)
Vorher sah alles so aus, als würde es krachen. Da rasten zwei Züge aufeinander zu. Und als Beobachter fragte man sich: Wer zieht die Notbremse? Zum Auftakt der fünften Vollversammlung schien ein Crash möglich, oder in den Worten des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, ein Eklat, den "ich uns allen nicht wünsche".

Lieber Kompromisse als leere Hände

Doch im Verlauf der vergangenen drei Tage wurden die Delegierten vom Geist des Kompromisses erfüllt. Auch wenn die Kompromisse oft wehtaten. Es zeichnete sich ab, dass die über die Jahre erarbeiteten Handlungstexte nur eine Mehrheit finden würden, wenn sie im Sinne der Bischöfe auf den letzten Metern hier und da abgeschwächt würden. Darauf haben sich die Delegierten eingelassen. Besser am Ende mit einem abgeschwächten Text dastehen als mit leeren Händen.
Und was nun weitgehend einmütig beschlossen wurde, mag zwar abgeschwächt sein, ist aber alles andere als schwach: So bittet die Synodalversammlung den Papst, den Zölibat als Voraussetzung fürs Priesteramt zu überprüfen. Die katholische Kirche in Deutschland bekennt sich zu Segensfeiern für alle sich liebenden Paare, auch gleichgeschlechtliche. Sie will Frauen den Zugang zu Weiheämtern ermöglichen. Laien, also auch Frauen, sollen künftig in katholischen Messfeiern predigen dürfen.
Kritische Stimmen unter den Synodalen sagen dennoch: Das ist zu wenig. Sie fühlten sich erpresst von einigen Bischöfen. Umgekehrt: Sicher fühlten sich auch einige Bischöfe erpresst. Es gehören ja immer zwei dazu. Am Ende haben sich alle Seiten zusammengerauft. Offenbar brauchte es den Druck, es könnte zum Knall kommen, damit alle Seiten sich zuhören konnten. Vielleicht ist es genau dieses Aufeinander-Hören, das sich Papst Franziskus erhofft, wenn er den Gedanken von mehr Synodalität auf der Weltsynode stark macht.

Katholische Kirche in Deutschland wird sich verändern

Fest steht: Die katholische Kirche wird sich hierzulande verändern. Und zwar sichtbar und konkret. Papst Franziskus hat allen Bischofskonferenzen weltweit mehr Entscheidungsfreiheiten gegeben. Die deutschen Bischöfe werden zum Teil die Reformideen von Frankfurt umsetzen. Aber etwa bei Weiheämtern für Frauen ist die katholische Kirche in Deutschland auf den Papst angewiesen. Es ist fraglich, inwieweit Franziskus hierzu nach zehn Jahren im Amt seine Einstellung geändert hat oder ändern wird.
In einem Punkt konnte sich die Vollversammlung nicht einigen: wenn es um mehr Mitbestimmung für Laien geht. Dieser Punkt ist vertagt, und zwar in den Synodalen Ausschuss, sozusagen ein kleineres Folgegremium zur Vollversammlung. Es wäre zu wünschen, dass dort weniger erhobene Zeigefinger zu sehen sind als in den vergangenen drei Jahren. Und als in den vergangenen drei Tagen.
Auch wenn der Eindruck entstand, die Katholiken in Deutschland können Synode, dass sich die meisten zumindest anstrengen, dass vor allem Ordensfrauen mit klaren, maßvollen, auch emotionalen Worten immer wieder vermitteln konnten – auch mit geistlichen Impulsen, so sehr gab es aber auch weiter schrille Töne der Rechthaberei und des Denkens in Kategorien von Siegern und Verlierern. Das Rechthaberische in Politik, Gesellschaft und Medien hat in Teilen der römisch-katholischen Kirche Einzug gefunden. Verspätet – aber dafür mit umso größerer Wucht.

Schweigen muss aufgebrochen werden

Eine gewisse deutsche Oberlehrerhaftigkeit führt ebenso wie ein in sich verschlossener vatikanischer Kuriensprech zu jenem verhärteten Schweigen zwischen Rom und Deutschland, das nun aufgebrochen werden muss. Es wird eine Herkulesaufgabe für die Bischöfe, im Vatikan Gesprächskanäle wieder zu öffnen. Die Einmütigkeit von Bischöfen und Nicht-Bischöfen, mit der dieser Synodale Weg es über die Zielgerade geschafft hat, wird dabei hilfreich sein. Erst wenn das gelingt, ist der Synodale Weg ein Erfolg.
Die aufeinander zu rasenden Züge konnten bremsen. Wenn Bischöfe und Zentralkomitee der deutschen Katholiken die Ergebnisse von Frankfurt als einen historischen Meilenstein feiern, haben sie recht. Aber sie müssen sich auch fragen: Wie kommt es zu einer geistigen und geistlichen Erneuerung dieser Kirche? Wie kann es gelingen, dass die beiden Züge auf einer gemeinsamen Schiene bleiben und in eine Richtung fahren?