Sonntag, 28. April 2024

Kommentar zu Konjunkturplänen
Kleine Stellschrauben statt konjunkturelle Schnellschüsse

Die Konjunktur in Deutschland schwächelt. Koalition und Opposition überbieten sich deshalb mit Ideen für einen Wirtschaftsaufschwung. Dabei gehe es zu sehr um kurzfristige Programme und zu wenig um gezielte Investitionen, meint Jörg Münchenberg.

Ein Kommentar von Jörg Münchenberg | 08.08.2023
    Wolken sind über der Kuppel vom Reichstag zu sehen, auf dem Deutschlandfahnen wehen.
    Der Wirtschaftsstandort Deutschland sei nicht dem Untergang geweiht, wie dies derzeit manche Auguren glauben machen wollten, kommentiert Jörg Münchenberg. (picture alliance / dpa / Jens Kalaene)
    Wer bietet mehr? Getreu diesem Motto liefern sich die Parteien derzeit ein Schaulaufen bei Investitionshilfen, Wachstumsimpulsen und Sofortprogrammen. Nach FDP, SPD und Union haben jetzt auch die Grünen noch einmal nachgelegt: 30 Milliarden Euro soll der Staat demnach vor allem in die darbende Bauindustrie stecken, um so die schwächelnde Konjunktur wieder anzuschieben.

    Großzügige Entlastungspläne mit unklarer Finanzierung

    Der Überbietungswettbewerb hat natürlich handfeste Gründe. Politische wie wirtschaftliche. Erst einmal wird im Herbst in Hessen und Bayern ein neuer Landtag gewählt. Da macht es sich natürlich gut, Bürgern und Unternehmen großzügige Entlastungen zumindest in Aussicht zu stellen. Auch wenn die Finanzierung entweder im Ungefähren bleibt oder kaum die dafür notwendigen politischen Mehrheiten finden wird.
    Dass die Union dabei in düsteren Tönen vor dem Niedergang des Wirtschaftsstandorts Deutschland warnt, kann gleichzeitig nicht überraschen. Es gehört zum Handwerkszeug der Opposition, die Regierungsarbeit in ein möglichst schlechtes Licht zu rücken.
    Wobei an dieser Stelle Grünen und FDP ausdrücklich einmal zuzustimmen ist: gerade die politischen Versäumnisse unter der früheren Regierungsverantwortung von Union und auch SPD sind mit verantwortlich dafür, dass Deutschland so viel aufzuholen hat. Ob nun bei der Digitalisierung, der Infrastruktur oder auch der Klimawende.

    Profilierungswettlauf sorgt nur für zusätzliche Verunsicherung

    Und damit zum wirtschaftspolitischen Teil der Debatte. Unbestreitbar ist, dass Deutschland gerade im europäischen Vergleich beim Wachstum wieder Schlusslicht ist. Das hat viele Gründe, nicht zuletzt die enorme Exportabhängigkeit – weshalb sich die schwächelnde Weltwirtschaft natürlich in den Auftragsbüchern der Unternehmen widerspiegelt. Dazu kommen die hohen Energiepreise, während gleichzeitig das Ausland – vor allem die USA – mit preiswerter Energie und einer attraktiven Steuerpolitik lockt.
    Die Ampelkoalition muss darauf eine Antwort finden. Allerdings eine, die von SPD, Grünen und FDP gemeinsam getragen und ausformuliert wird. Denn der aktuelle Profilierungswettlauf auch innerhalb der Regierung sorgt nur für zusätzliche Verunsicherung und könnte am Ende in einem Heizungsgesetz-Streit 2.0 enden.

    Kleine Stellschrauben

    Mit konjunkturellen Schnellschüssen wie kurzfristigen Ausgabenprogrammen ist der heimischen Wirtschaft zudem kaum geholfen, ebenso wenig wie mit staatlichen Subventionen für einen Industriestrompreis. Und immer neue teure Maßnahmen, die notfalls auch aus Schattenhaushalten finanziert werden sollen, wie das die Grünen jetzt vorschlagen, weisen ebenfalls in die falsche Richtung.
    Denn auch mit vielen kleinen Stellschrauben wie etwa der Steuer- und Einwanderungspolitik oder einer gezielten Investitionsförderung bei klimafreundlichen Technologien kann die Ampel den heimischen Standort mittelfristig wieder attraktiver machen. Der übrigens auch nicht dem Untergang geweiht ist, wie dies derzeit manche Auguren glauben machen wollen.
    Jörg Münchenberg
    Jörg Münchenberg, geboren 1966; studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Volkswirtschaftslehre in Freiburg, Kanada und Nürnberg-Erlangen. Seit 1997 beim Deutschlandfunk als Moderator und Redakteur zunächst in der Wirtschaftsredaktion; später Korrespondent im Berliner Hauptstadtstudio und europapolitischer Korrespondent in Brüssel. Nach einer Station im Zeitfunk derzeit wieder im Berliner Hauptstadtstudio.