DER GEBRAUCH DES MENSCHEN (Teil 1) 
von Aleksandar Tišma 
Regie & Redaktion: Stefan Kanis 
Regieassistenz: Eva Gaeding 
Mit: Jördis Trauer, Oscar Hoppe, Birte Schnöink, Werner Wölbern, Franz Hartwig, André Kaczmarcyk, Alexander Khuon, Max Hegewald 
Komposition: Tommy Neuwirth, Mario Weise 
Ton und Technik: André Lüer, Christian Grund 
MDR/NDR 2025 
Die Jury der Deutschen Akademie der Darstellenden Künste benannte „DER GEBRAUCH DES MENSCHEN (Teile 1-3)“ zum Hörspiel des Monats Oktober 2025.
        Die Begründung der Jury 
Novi Sad, im Norden Serbiens. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wechselte die Stadt mehrmals die staatliche Zuordnung. So leben hier in den 30er Jahren Juden, Serben, Ungarn und Deutsche friedlich zusammen. Die drei Jugendlichen Vera, Milenko und Sredoje lernen sich im Privatunterricht eines deutschen Fräuleins kennen, den sie mehr oder weniger von den Eltern genötigt besuchen, um die schwere Sprache zu lernen. Vera und Milenko werden schnell ein Paar, wobei der wissensdurstige Junge sich eher für die Bibliothek von Veras Vater als für seine schöne Freundin interessiert. Der Haudegen Sredoje ist mehr für körperliche Freuden zu haben. Er äugt hin und wieder nach Vera. Doch die ist ja eine Klasse für sich. So leicht, so heiter, so melancholisch beginnt die Geschichte und doch spüren wir schon die kommende Katastrophe. Während ihr jüdischer Vater noch auf Rettung hofft, weiß Vera schon vor ihm, dass es diese nicht gibt. Die Familie wird nach Auschwitz deportiert, wo Vera Zwangsprostituierte wird und überlebt. Sie kehrt nach Novi Sad zurück. Taumelt durch ihr neues Dasein und kann doch nicht vergessen. Da trifft sie Sredoje wieder, der als Partisan gekämpft hat und sich in der neuen Zeit ebenfalls nicht zurechtfindet. Was für ein Bogen! Was für eine Erzählung! Sie umspannt mehrere Leben. Schicksale, die sich nur unweit von uns entfernt ereignet haben und dennoch so weit weg scheinen, als hätten sie nichts mit uns zu tun. Daran zu erinnern, dass dies, auch dies, unsere Geschichte ist, ist nur ein Aspekt dieses sehr gelungenen Hörspiels. 
Es erzählt über drei Teile, von den 30ern bis in die 50er Jahre, die Geschichte der anfangs jugendlichen Protagonisten, fokussiert im zweiten Teil stärker auf Vera und schildert im sehr starken dritten Teil deren Heimkehr, Haltlosigkeit und das Unverständnis der anderen Überlebenden, die vergessen können, was Vera nicht vergessen kann. 
Roman-Adaptionen sind kein leichtes Unterfangen. Wie wird man der Sprache gerecht, dieser Ausdruckskraft? Wie dem Umfang? Das Hörspiel von Stefan Kanis findet in beiden Fällen kluge Lösungen, die den Hörer herausfordern. Dramaturgisch gekonnt findet hier eine Steigerung statt. Deuten sich im ersten Teil schon die künftigen Konflikte an, steigert sich die Erzählung im zweiten Teil hin zu einer möglichen Rettung, die jedoch nicht stattfindet. Der aufwühlende dritte Teil erzählt die Katastrophe nach der Katastrophe. Er ist der intensivste der drei Teile, eine Entwicklung, die fast zwangsläufig erscheint. Sprachlich bleibt das Stück eng an Aleksandar Tišmas Roman und dessen genialer Übersetzung (Barbara Antkowiak), verneigt sich vor deren Stil. Elegant findet Regisseur Stefan Kanis eine Ebene zwischen Drama und Erzählung. So werden wir immer wieder auf die literarische Kraft des Romans verwiesen. 
Bericht, Erzählung und Dialog wechseln einander ab, wodurch eine gewisse Distanz entsteht. Jegliches Pathos wird auf diese Weise vermieden. Umso stärker die Wucht des Erzählten. Das Stück lässt uns Raum, uns Szenen vorzustellen, die Lücken der Zeitsprünge zu füllen. Was Vera in Auschwitz erlebt haben muss, wird nur knapp angedeutet. Wir verstehen und erahnen es anhand ihrer Unfähigkeit, im Frieden anzukommen. In ihrem Innern ist immer noch Krieg, was sie mit dem ebenfalls traumatisierten Sredoje verbindet. In dieser Gemeinschaft, so versehrt sie ist, steckt ein wenig Hoffnung - mehr zu erahnen, als tatsächlich vorhanden, mehr in unserer Phantasie. Denn leicht machen es uns die Schöpfer dieses Hörspiels nicht, sie wollen, sie können nichts beschönigen. Was für eine kluge, eine interessante Adaption! Was für ein intensives, herausforderndes Stück. 
Die Jury und der gastgebende Sender 2025 
Laila Stieler, Drehbuchautorin, Hörspielautorin, Dramaturgin und Filmproduzentin 
Sebastian Krumbiegel, Musiker und Autor 
Gastgebender Sender: MDR