Fortsetzung folgt.
Eine Lange Nacht über E. Marlitt und die Kunst der Serie
Von Günther Wessel
Regie: Claudia Mützelfeldt
Sieben Kapitel über Deutschlands heute weitgehend vergessene und verachtete erste Bestsellerautorin: Eugenie John, geboren am 5. Dezember 1825 im thüringischen Arnstadt. Deren Romane Bestseller waren und später als Kitsch verdammt wurden. Unter dem Pseudonym E. Marlitt schrieb Eugenie John Fortsetzungsromane und Erzählungen, die in der „Gartenlaube“ veröffentlicht wurden. Sie machten die Zeitschrift groß: Die Auflage stieg und stieg, und in Leipzig bildeten sich Menschenschlangen vor der Druckerei, wenn die neueste Ausgabe mit der Fortsetzung eines Marlitt-Romans erschien. Nach ihrem Roman „Goldelse“ benannte der Berliner Volksmund die goldglänzende Figur auf der Siegessäule, und ihre Werke wurden direkt nach Erscheinen ins Englische und Französische übersetzt, auch ins Polnische, Ungarische, Russische und Chinesische. Der Vorwurf der Trivialität ereilte Marlitt schon früh. Oft gepaart mit Neid: Theodor Fontane schrieb am 15. Juni 1879 an seine Frau Emilie: „Die Sachen von der Marlitt (…) Personen, die ich gar nicht als Schriftsteller gelten lasse, erleben nicht nur zahlreiche Auflagen, sondern werden auch womöglich ins Vorder- und Hinterindische übersetzt; um mich kümmert sich keine Katze.“ Die Lange Nacht spürt der Biografie Eugenie Johns, alias E. Marlitt, nach und zeigt das Muster ihres Erfolges: seriell zu erzählen. Es geht um den frühen Literaturmarkt, aber auch um politische Zensur, Lampenfieber und Gesangshemmung, um wandelnde Literaturrezeption, Kitsch und Kunst, Cliffhanger und darum, wie heute Telenovelas geschrieben werden. Und vielleicht lässt sich auch Marlitts ramponierter literarischer Ruf retten.