„Nichtiger Herrscher über eine nichtige Welt“
Eine Lange Nacht über den Dandy
Von Dietrich Leube
Regie: Stefan Hilsbecher
Von Lord Byron, dem Idol seines Zeitalters, ist ein erstaunliches Aperçu überliefert: „Das 19. Jahrhundert hat drei große Männer hervorgebracht - Napoleon, Brummell und mich. Was mich anlangt, so möchte ich lieber Brummell sein als Napoleon.“ Die Heldenmythen des 19. Jahrhunderts werden von Napoleon und Byron dominiert, doch wer ist dieser Brummell? George Bryan Brummell, von Zeitgenossen „Beau“ Brummell genannt, beherrschte als König der Dandys die Modewelt der Londoner Herren in der Zeit der „Regency“. Er galt als Ikone des vollkommenen Gentlemans bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Prominente Verehrer wie Charles Baudelaire, Jules Barbey d’Aurevilly, Edgar Allan Poe, Oscar Wilde und Paul Valéry waren von diesem Idealbild fasziniert. Ebenso wie die zahllosen Nachahmer, die als Modenarren in die Geschichte des Herrenkostüms eingegangen sind. Letzteren ist der spöttische Beiklang „Dandy“, wie er bis heute gebräuchlich ist, geblieben. Daher die verbreitete Annahme, beim Dandytum handle es sich um eine aparte Marginalie zur Geschichte der Männermoden seit 1800. Doch die geistesgeschichtliche Ausstrahlung der Figur des Dandys ist seit den 1920er-Jahren Forschungsthema von Kultur-, Literatur-, und Sozialwissenschaften, in deren Untersuchungen Modefragen nur peripher berührt werden. Baudelaire und sein Zeitgenosse Barbey d’Aurevilly sind die poetischen Ahnen des Dandy-Begriffs. Durch sie erfährt das Wort, eine Akzentverschiebung vom Modekönig der Regency-Zeit hin zu einer Figur des asketischen Künstlers. Baudelaire hat den Dandy als eine Schlüsselfigur in Zeiten des Übergangs diagnostiziert, „wenn die Demokratie noch nicht allmächtig, die Aristokratie erst ins Wanken geraten ist und ihre Würde noch nicht gänzlich eingebüßt hat“.