
Einen neuen Generalsekretär für die weltweit mächtigste Militärallianz zu finden, ist keine triviale Angelegenheit. Und niemand wird behaupten, es sei einfach, in dieser Frage einen Konsens zwischen den 31 NATO-Partnern herzustellen. Viele Namen wurden in den letzten Monaten genannt, keiner überzeugte alle.
Schwierige Kandidatensuche
Die Osteuropäer wollten einen Kandidaten aus ihrer Region, die Südländer nicht schon wieder jemanden aus Nordeuropa. Ein Europäer sollte es schon sein, klar, wie immer auf diesem politischen Posten, aber ein Brite? Die EU-Partner rümpften in Erinnerung an den Brexit hinter verschlossenen Türen die Nase.
Einige wollten eine Frau an der Spitze. Gerne jemand mit Erfahrung als Regierungschef, aber bitte nicht allzu exponiert im Widerstand gegen Russland. Möglichst einen oder eine ohne Reibungsfläche, mit Vermittlungsgeschick und ohne überbordendes Ego. Am besten so jemand wie: Jens Stoltenberg!
Und da liegt der Grund, warum die Kandidatensuche letztendlich erfolglos blieb. Stoltenberg ist Opfer seines eigenen Erfolgs. Er führt die NATO in turbulenten Zeiten mit geradezu stoischer Ruhe.
Die erneute Bestätigung im Amt lag als beruhigender Plan B immer in der Schublade. Stoltenberg würde als Generalsekretär ohne eine Nachfolgeregelung schon nicht von Bord gehen, so das Kalkül. Er selbst sagte vor drei Wochen öffentlich, er sei für alle Entscheidungen der NATO verantwortlich, mit Ausnahme einer, der über seine Zukunft. Diejenigen, die auf eine Verlängerung hofften, sahen sich bestätigt.
Stoltenbergs Vertrag läuft schon wieder zu früh aus
Inhaltlich spricht vieles für ihn, seine Verdienste, die NATO in den schwierigen Jahren der Trump-Präsidentschaft zusammenzuhalten, sind nicht vergessen. Er hat seit 2014 erfolgreich für eine gerechtere transatlantische Lastenverteilung und eine dringend notwendige massive Ausweitung der Verteidigungsausgaben in Europa geworben. Und seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist er trittsicher, wenn es um den schmalen Grat geht, ständig weitere Militärhilfe der NATO-Partner einzufordern, ohne das Bündnis selbst zur Kriegspartei zu machen.
Mit Stoltenberg an der Spitze ist die NATO dabei, ihre Ostflanke in beispiellosem Umfang zu verstärken. Das erfordert Zeit, es wäre deshalb richtig gewesen, ihn im vergangenen Jahr gleich um zwei Jahre zu verlängern. Man hätte sich vieles erspart. Umso auffälliger, dass dieser Fehler jetzt wiederholt wird. Sein neuer Vertrag läuft zum ersten Oktober 2024 aus, wenige Wochen vor der amerikanischen Präsidentschaftswahl. Schon jetzt erscheint dies vor allem aus Sicht der Europäer als riskantes Timing.