Homosexuelle Paare
Kommentar: In der katholischen Kirche wird Undenkbares Realität

Dass homosexuelle Paare sich nun offiziell den römisch-katholischen Segen holen dürfen, käme überraschend, kommentiert Christian Röther. Papst Franziskus mache seiner Kirche Beine - auch wenn dort immer noch viel zu reformieren bleibe.

Ein Kommentar von Christian Röther |
Kreuz auf einem Grabstein an einer gelben Wand mit Schatten in Regenbogenfarben
"Ehe für alle, made in Rom, die gibt es noch längst nicht", kommentiert Christian Röther. Aber der Papst gehe immerhin so weit, wie es kirchenrechtlich derzeit möglich sei. (IMAGO / CHROMORANGE / IMAGO / hjschneider)
Was in der Kirche früher als Werk des Teufels galt - und einigen immer noch gilt - das bekommt jetzt den Segen des Papstes. Dass homosexuelle Paare sich nun ganz offiziell den römisch-katholischen Segen abholen dürfen, das kommt überraschend – nicht nur inhaltlich, sondern auch vom Zeitpunkt her. Kurz vor Weihnachten erwartet man von einem Papst nicht unbedingt, dass er ein kirchenpolitisch so brisantes Thema platziert.
Denn innerkirchlich polarisiert diese Entscheidung. Diejenigen, die nicht viel halten vom eher liberalen Franziskus, haben nun noch einen Grund mehr, um unterm Weihnachtsbaum auf den Papst zu schimpfen. Umgekehrt werden sich all jene freuen, die sich Reformen wünschen für die Kirche – und natürlich die gleichgeschlechtlichen Paare, die sich segnen lassen möchten. Sie haben vom Papst ein vorgezogenes Weihnachtsgeschenk erhalten - wenn auch kein uneingeschränktes: Sie dürfen nicht im Rahmen eines Gottesdienstes gesegnet werden, schreibt der Vatikan, und es muss sichergestellt sein, dass die Segnung nicht der Ehe ähnelt.

Ehe für alle "made in Rom" gibt es noch längst nicht

Dieser Aspekt wird andere Papstkritiker und -kritikerinnen auf den Plan rufen – diejenigen, die sich weitergehende Reformen wünschen: Ehe für alle "made in Rom". Die gibt es noch längst nicht. Aber der Papst geht immerhin bereits so weit, wie es kirchenrechtlich derzeit möglich ist.
Warum tut er das? Vor zwei Jahren noch hatte der Vatikan das Gegenteil verkündet: Segnungen für Homosexuelle, das gibt es bei uns nicht. Nun also die 180-Grad-Wende. Warum? In der Zwischenzeit hat der Chef der Glaubenskongregation gewechselt, der oberste Wächter über die katholische Lehre. Seit September hat Erzbischof Fernández hier das Sagen – ein langjähriger Vertrauter des Papstes. Gemeinsam machen die beiden alten weißen Argentinier die Kirche jetzt ein bisschen bunter.

Franziskus' Gesundheit und Alter geschuldet?

Vielleicht ist all das auch Franziskus' Alter und Gesundheitsstand geschuldet: Er ist gerade 87 geworden, und vor ein paar Wochen war er im Krankenhaus, denn seine Lunge bereitet Sorgen. Vergangene Woche hat Franziskus dann bekannt gegeben, in welcher Kirche er beigesetzt werden möchte. So mancher stellt sich deshalb schon darauf ein, dass bald ein neuer Papst gewählt werden muss. Und vielleicht spürt Franziskus ja tatsächlich, dass seine Amtszeit bald zu Ende geht – auch ein Rücktritt wäre ja möglich.

Franziskus' Zeichen: In meiner Kirche sind alle willkommen

Aber so oder so - Franziskus sendet ein vorweihnachtliches Zeichen: In meiner Kirche sind alle willkommen. Das ist auch ein innerkirchliches Statement: Mit diesem Papst ist immer noch zu rechnen. Er sitzt zwar inzwischen im Rollstuhl, kann kaum noch laufen – doch er macht seiner Kirche Beine. Man darf gespannt sein, was er als nächstes entscheidet. Es gäbe ja noch einiges zu reformieren in der katholischen Kirche.