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Kommentar zum Synodalen Weg
Der Papst ist Elite!

Der Papst wirft dem Synodalen Weg und dessen Reformideen vor, elitär zu sein. Seine Kritik ist jedoch kryptisch, kommentiert Christiane Florin. Franziskus könne auch einfach und verständlich sagen, er wolle keine Gleichberechtigung in der Kirche.

Ein Kommentar von Christiane Florin | 29.01.2023
Papst Franziskus sitzt während der Beerdigung des emeritierten Papst Benedikt XVI. vor dem Petersdom
"Wer, wenn nicht der Papst, ist Elite?", kommentiert Christiane Florin. (picture alliance / Pressebildagentur ULMER / ULMER)
Nur mal angenommen: Der nächste Papst, nein, die nächste Päpstin wird von allen 1,3 Milliarden römisch-katholischen Menschen weltweit gewählt. Abstimmen dürfen auch Katholikinnen und Katholiken in jenen Ländern, in denen es ansonsten keine freien Wahlen gibt. Das hat Papst Franziskus gerade nicht nur in einem Interview angekündigt. Er hat es verfügt. Das gilt ab sofort.

Glauben Sie nicht? Ist auch nicht so. Es war, wie gesagt, nur ein Gedankenspiel. Aber der Papst steht an der Spitze einer absoluten Monarchie. Er ist damit so mächtig, dass er aus dem Spiel Ernst machen könnte, wenn er wollte und wenn nicht ideologisch, strategisch, taktisch und persönlich so vieles dagegen stünde.

Franziskus hat in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AP dem Synodalen Weg in Deutschland vorgeworfen, der sei elitär. Achtung, jetzt wird’s richtig elitär, wofür haben wir das Kind studieren lassen: Franziskus begibt sich damit in einen performativen Selbstwiderspruch. Wer, wenn nicht der Papst, ist Elite?

Er steht an der Spitze eines ständischen Systems: Geweihte Männer bilden den oberen Stand und er ist von den oberen der Höchste. Damit das nicht so auffällt, wird in der römisch-katholischen Kirche alles „Dienst“ genannt. Je höher der Dienstgrad, desto ausgeprägter das verbale Downgrade. Als aus Joseph Ratzinger Benedikt XVI. geworden war, nannte er sich einen „einfachen Arbeiter im Weinberg“ des Herrn. Franziskus trat vor zehn Jahren mit ausgelatschten Schuhen, Kassenbrille und Aktentasche vors große Publikum. Der Franz eben.   

Nun macht sich der Ranghöchste zum Anwalt der einfachen Gläubigen, wer immer das auch sein mag. Früher punktete die römisch-katholische Kirche beim volksfrommen Volk mit dem Versprechen: Bei uns braucht ihr keine Bücher zu lesen, guckt lieber Heiligenbildchen an. Jetzt scheint es nicht anders zu sein. Lesen, argumentieren, recherchieren steht unter Häresieverdacht. Jedes Nein aus Rom ist nicht nur unintellektuell, es ist anti-intellektuell.

Zur intellektuellen Redlichkeit gehört es zu sagen: Auch eine Person, die sich wie Franziskus in einem performativen Selbstwiderspruch befindet, kann etwas Richtiges sagen.

Auch der Synodale Weg ist ein klerikales Format

Hat also der Papst Recht, ist der Synodale Weg elitär? Es stimmt, unter den 230 Synodalen sind viele Akademiker*innen. Was sie an Texten produzieren, liest sich nicht mal eben so weg zwischen zwei Folgen der Serie „The young pope“. Es stimmt auch, dass das Zentralkomitee der Deutschen Katholiken vor allem die Verbände repräsentiert und nicht die gesamte Bandbreite der immer noch gut 21 Millionen römisch-katholischen Kirchenmitglieder.

Was Franziskus von da ganz oben aber übersieht: Auch der Synodale Weg ist aufgrund eines Konstruktionsfehlers ein klerikales Format. Die deutschen Bischöfe, inklusive der Weihbischöfe, sind dort zu 100 Prozent repräsentiert. Sie haben eine eigene Mehrheit, ihre Stimme zählt mehr, sie können – wie bei der Synodalversammlung im vergangenen Jahr geschehen – mit ihrer Sperrminorität Texte kippen, denen eine Mehrheit des Plenums zugestimmt hat.

Bischöfe und Laien sind nicht auf Augenhöhe beim Synodalen Weg. Auch wenn viele Mitglieder des Zentralkomitees das rituell behaupten, nur weil sie bei den Versammlungen alphabetisch sortiert auch neben einem hochwürdigsten Herren sitzen dürfen und nicht klerikal-protokollarisch in weitem Abstand dahinter. Eine bischöflich verfasste Kirche ist per se elitär. Der Laienstand hat nichts zu entscheiden.

Der Synodale Weg ist der zarte Versuch, Ideen von Gewaltenteilung, Gleichberechtigung und Menschenrechten in diese absolutistische Institution hineinzutragen. Franziskus hält mit dem recht sperrigen Wort „Synodalität“ dagegen. Was das ist und was er damit meint, bleibt ein Rätsel. Der Papst könnte einfach sagen: Ich will das das nicht mit der Gewaltenteilung, der Gleichberechtigung und den Menschenrechten. Das versteht jede und jeder, das wäre mutmaßlich ehrlich und vor allem: unelitär.
Christiane Florin, Redaktionsleiterin "Christ & Welt", spricht im Juni 2013 in Köln auf dem 25. Medienforum NRW
Christiane Florin, Jahrgang 1968, ist Redakteurin für „Religion und Gesellschaft“ beim Deutschlandfunk. Bis 2015 leitete sie die Redaktion von Christ&Welt in der Wochenzeitung „Die ZEIT“. Ihre Erfahrungen als Lehrbeauftragte für Politikwissenschaft an der Universität Bonn verarbeitete sie in dem Essay „Warum unsere Studenten so angepasst sind“ (Rowohlt 2014). 2017 veröffentlichte sie das Buch „Weiberaufstand. Warum Frauen in der katholischen Kirche mehr Macht brauchen“ (Kösel).