Männerdomäne Bier? - Das muss (s)ich ändern!
Von Annette Walter
Bier ist Männersache, auch wenn das Marketing mittlerweile gezielt Frauen anspricht. Ist es da nicht schon ein emanzipativer Akt, als Frau Bier zu trinken? Immerhin stillt man den Durst und entlarvt damit gesellschaftliche Klischees.
Mein wiederkehrender, ganz realer Alptraum ist, dass ich zu einem gesellschaftlichen Anlass eingeladen bin und es wieder kein Bier gibt. Ich mag nun einmal keinen Wein. Und ich liebe Bier. Aber als Frau wird man schräg angeschaut, wenn man ein rustikales Bier den vermeintlich edleren Getränken vorzieht. Frauen und Bier, das passt nicht. Das Bier als Getränk wird heute mehr denn je männlich gelesen. Das zeigt schon die Werbung, die das Bier zumeist im Kontext maskuliner Sportarten und männerbündlerischer Rituale ansiedelt: „Auf die Freundschaft”, „Heute ein König”.
Kein Wunder, dass der Bierabsatz in Deutschland seit einem kurzen Peak nach der Wiedervereinigung kontinuierlich zurück geht, wenn man mehr als die Hälfte der Bevölkerung ignoriert und vor den Kopf stößt.
Das stimmt zwar nicht ganz, denn die Branche stemmt sich gegen den Niedergang, indem sie verfestigten Klischées folgend Leichtbiere, Biermischgetränke, sogenannte „Mädchenbiere” auf den Markt wirft. Kürzlich hat die französische Brauerei Kronenbourg eine Art „Model-Bier” kreiert und versucht, es mittels massivem Marketing und teuren Influencerinnen-Kampagnen in den Markt zu drücken: 1664 blanc. Kein Mensch braucht das. Genau so wenig wie die abgefahrenen und ausgedachten Craftbeer-Sorten von neu gegründeten Microbreweries, die mit viel Bohei in den neu entstandenen Bierbars in großstädtischen Szenequartieren oder von Bier-Sommeliers in Hipster- und Feinschmecker-Restaurants ausgeschenkt werden. Meist handelt es sich dabei um eine herausfordernd bittere , fast ungenießbare trübe Plörre mit viel zu viel Stammwürze und blumiger Hefe, die unfiltriert im Glas herum schwimmt.
Ich bin in Fürth aufgewachsen, das in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts einen großen Ruf als Bierstadt hatte. Als Grundschulkinder liefen wir vorbei an imposanten Brauereien, deren Hefegeruch in der Luft lag. In der Gegend gibt es bis heute die größte Vielfalt kleiner unabhängiger Brauereien , die allesamt in bester handwerklicher Tradition ein hervorragendes Helles brauen, ohne es Craftbeer oder sich selbst Microbrewery zu nennen.
Manche Dinge kann man nicht und muss man nicht verbessern, man muss sie nur pflegen. Es gibt vielleicht kein feministisches Bier (Ausnahme: „Muschikraft” aus Wien, „das feministische Craftbeer von Frauen für Frauen”), aber Bier ist ein Thema für Feministinnen oder sollte es zumindest sein. Bier ist zu wichtig, um es den Männern zu überlassen. Genauso wenig wie das Biertrinken Männersache ist, ist es das Bierbrauen. Traditionell, über Jahrtausende, war das Bierbrauen wie das Brotbacken ein ganz normaler Teil der hauswirtschaftlichen Tätigkeit und wurde somit vom weiblichen Teil absolviert. Auch das Wissen darüber wurde demnach in matriarchaler Linie weitergegeben von Mutter zu Tochter. Erst mit der Industrialisierung und Verwissenschaftlichung des Brauwesens wurde das Bier zur Männerdomäne. Männliches Expertentum in der arbeitsteiligen Industrie- und Dienstleistungsgesellschaft drängte die Frauen aus dem Feld.
Das ändert sich langsam, aber gewaltig: Seit kurzem drängen immer mehr Frauen in die Studiengänge für Brauereiwesen, immer öfter sind es die Töchter, die familiengeführte Brauereien übernehmen und in einer Kombination aus handwerklicher Tradition und zeitgemäßem Marketing geschickt modernisieren wie Brlo aus Berlin.
Annette Walter, Jahrgang 1978, ist Journalistin, hat ein Studium der Journalistik und Politikwissenschaft an der Universität Leipzig absolviert und bisher für den Bayerischen Rundfunk, die taz, das Goethe-Institut und Jungle World gearbeitet. Mit dem IJP-Stipendium war sie längere Zeit in London und interessiert sich seitdem besonders für britische Popkultur.