Was soll die Kunst?
Von Hilka Dirks
Umsätze gehen zurück, Galerien schließen. Der Kunstmarkt verändert sich radikal. Und die Kunst sowieso. Das Zeitalter, in dem Kunst sich autonom erklärte, scheint vorbei zu sein, wenn Kunst sich etwa moralischen oder politischen Fragestellungen zuwendet.
Schön soll sie sein, klug und berührend, unterhaltend und konzeptionell, unkompliziert und provokant, auffallend und dekorierend. Sie soll inspirieren und Grenzen ausloten, Neues schaffen und Altes einordnen, moralische Orientierung bieten, politische Stellung beziehen, Status repressive, Ideale stürzen und stützen, Identitäten stiften, ja ganze Volksgemeinschaften zusammenhalten.
Sie soll, sie soll, sie soll … Und dabei wollte sie doch so lange eines sein: autonom. Und sie war hart erkämpft, die Autonomie der Kunst, gegen die Macht der Kirche, gegen die Fürsten und Mäzene. Kunst wollte nur Kunst sein und nichts anderes. Das ging zwei Jahrhunderte gut. Lange Zeit galt die Kunst als Leitwährung der Gegenwartskultur. Doch heute ist sie immer neuen Ansprüchen ausgesetzt.
Während sich also jahrelang niemand so recht für sie zu interessieren schien, ist die Kunst in den letzten Jahren, angefeuert durch knapper werdende Etats, vermehrt ins öffentliche Bewusstsein und Interesse geraten. Dabei variiert die Einschätzung von irrelevant bis fast magisch aufgeladenem Wirkmachtsverdacht.
Doch woher kommt das zunehmende Interesse? Wie hängen individuelle Erfahrungen, kollektive Reflexion und Repräsentationsansprüche zusammen? Wie funktioniert das gesellschaftliche Aushandeln von Sinnstiftung und Unbestimmtheit? Und welche Kunst brauchen wir wirklich?
Hilka Dirks, geboren 1991, arbeitet in und zwischen den Bereichen Text, Grafik, Kunst und Internet. Schockierend neugierig, wenn auch mäßig entfremdet, wuchs sie in Berlin-Steglitz auf, hörte Punk, klaute gelegentlich billige Lippenstifte bei Karstadt - und dachte irgendwie die ganze Zeit über Kunst nach. Heute forscht sie über Stickschrift auf textiler Aussteuer an der Universität der Künste in Berlin, schreibt und gestaltet mehr oder weniger regelmäßig für verschiedene Formate u.a. Der Tagesspiegel, Monopol, taz - Die Tageszeitung, der Freitag, Cee Cee Berlin, DUMMY, FAZ Quarterly sowie diverse Künstler:innen und kommerzielle Projekte und zeigt ab und zu Video-Kunst im Karton, einem alten Container.