Doch kein ganz normales Leben?
Generationen, Diktatur und Alltag in der DDR
Von Mary Fulbrook
Die DDR war eine Diktatur, in der vielen Menschen Unrecht getan wurde. Trotzdem beschreiben viele Menschen ihr Leben dort als angenehm, interessant und wertvoll. Es gibt keine einfache Geschichte der DDR, sondern viele Geschichten, insbesondere wenn man die Perspektiven der unterschiedlichen Generationen in den Blick nimmt. Wie sollte man das Leben in der DDR am besten schildern und was für Themen betonen? Stasi, Mauer, Stacheldraht - oder aber billige Mieten, sichere Arbeitsplätze, subventionierte Lebensmittel und flächendeckende Kinderhorte? Die äußere Geschichte der DDR als Diktatur mit einem verbrecherischen Überwachungsapparat ist oft erzählt worden. Trotzdem entwickelte sich insbesondere nach dem Mauerbau eine Alltagsroutine, in der viele Menschen ihren Alltag als ganz normal erlebten. Wie bringt man diese Alltagserfahrung vieler Menschen mit der äußeren Geschichte in einen sinnvollen Zusammenhang, ohne die DDR entweder zu verharmlosen oder zu dämonisieren? Die verschiedenen Generationen in der DDR erlebten die äußere Geschichte aus ihrer jeweiligen Perspektive jeweils völlig anders. Mary Fulbrook hielt diesen Vortrag am 16. März 2019 im Rahmen des Symposiums beim Kölner Kongress 2019 zum Thema ,Sound. Erzählen. Öffentlichkeit’ . Die sich anschließende Diskussion zum Thema ,Neues Erzählen von der DDR - Welche Perspektiven braucht der Osten’ senden wir am 30. Mai 2019. In ,Das Feature’ im Deutschlandfunk läuft im Mai 2019 zeitgleich die Reihe ,Ostdeutsche Leben’. Mary Fulbrook studierte in Cambridge und Harvard und ist seit 1995 Professorin für Deutsche Geschichte am University College London. Sie ist Fellow of the British Academy (FBA) und renommierte Autorin von zahlreichen Büchern, unter anderem: ,Ein ganz normales Leben. Alltag und Gesellschaft in der DDR’ (Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft und Primus Verlag, 2008); ,Eine kleine Stadt bei Auschwitz. Gewöhnliche Nazis und der Holocaust’ (Essen: Klartext, 2015); und ,Erfahrung, Erinnerung, Geschichtsschreibung. Neue Perspektiven auf die deutschen Diktaturen’ (Wallstein Verlag, 2016). Ihr neuestes Buch ist ,Reckonings: Legacies of Nazi Persecution and the Quest for Justice’ (OUP, 2018).