Sonnenuntergang im Wienerwald
Eine Lange Nacht über Ödön von Horváth
Von Nikolaus Scholz und Andreas Kloner
Regie: Nikolaus Scholz
‚Geschichten aus dem Wienerwald‘ ist wohl das bekannteste Theaterstück des österreichisch-ungarischen Schriftstellers Ödön von Horváth. Noch vor dessen Uraufführung im Jahre 1931 in Berlin erhielt Horváth auf Vorschlag Carl Zuckmayers den renommierten Kleist-Preis. Horváths Stück, geschrieben Ende der 20er-Jahre in einer Zeit katastrophaler Arbeitslosigkeit und der Weltwirtschaftskrise, ist ein Schlüsselwerk des modernen Dramas. Horváth demaskiert hier das Klischee von der verlogenen Wiener Gemütlichkeit lakonisch und auf brutale Weise. Ödön von Horváth, der Sohn eines österreichisch-ungarischen Diplomaten, wurde am 9. Dezember 1901 in Sušak (italienisch: Fiume) an der Adria geboren. Sein Interesse für die Kunst, insbesondere für die schöne Literatur, regte sich relativ spät. Ab den 20er-Jahren lebte der zutiefst abergläubische Horváth abwechselnd in Berlin, Salzburg und bei seinen Eltern im oberbayrischen Murnau am Staffelsee, wo er sich intensiv der Schriftstellerei widmete. Doch dem Autor der Theaterstücke wie ‚Jugend ohne Gott‘, ‚Glaube Liebe Hoffnung‘ und ‚Kasimir und Karoline‘ sollte kein langes Leben beschert sein. Nachdem er als entschiedener Gegner des Nationalsozialismus 1936 aus Deutschland verwiesen worden war, verließ er das Land und erreichte Ende Mai 1938 Paris. Wenige Tage später, am 1. Juni, traf er den deutschen Filmregisseur Robert Siodmak, um mit ihm über die Verfilmung des Romans ‚Jugend ohne Gott‘ zu sprechen. Noch am selben Abend wurde Horváth während eines Gewitters auf dem Heimweg auf dem Pariser Boulevard Champs-Élysées von einem herabstürzenden Ast erschlagen. Eine ‚Lange Nacht‘ über einen Poeten, der sich selbst als eine typisch österreichisch-ungarische Angelegenheit sah.