Hörspiel des Monats
Meine Erinnerungen reißen mich in Stücke
Frei nach Motiven aus Mary Shelleys biografischen Notizen
Von Cristin König
Regie: der Autor
Komposition: Friederike Bernhardt
Mit Julika Jenkins, Patrick Güldenberg, Veronika Bachfischer, Trystan Pütter, Sebastian Schwarz, Steven Scharf, Max Urlacher
Produktion: Deutschlandfunk Kultur 2018
Länge: 69’24‘‘
Hörspielmagazin 9/18
von Barbara Schäfer, Anna Fastabend, Eva Marburg, Raphael Smarzoch
Regie: Barbara Schäfer
Länge: 44'21''
Begründung der Jury der Akademie der Darstellenden Künste:
„Das Monster spricht. Schauspieler Steven Scharf verleiht ihm die schmeichelnde Stimme eines Liebhabers, der sich sicher ist, dass aller vorgetragener Widerstand gegen ihn nur pro forma geleistet wird. Weil die Bindung zu seiner Schöpferin ewig währt: „ich bin aus deiner Seele rausgesprungen,“ erinnert es Mary Shelley gleich im Prolog von Cristin Königs Hörspiel ‚Meine Erinnerungen reißen mich in Stücke‘. Und als sich die früh gealterte Shelley, gespielt von Julika Jenkins, ziert und der Ehre der Autorschaft widersetzen will, beharrt das Monster, aufdringlich, penetrant, unwiderstehlich: „deine Seele hast du mir eingehaucht“. Nein, aus dieser süßen Gefangenschaft wird es seine Schöpferin ebenso wenig entlassen, wie es ihr die Frage beantwortet, warum alle tot sind: ihr geliebter Percy, Lord Byron, John Polidori, die ganze Gesellschaft, aus deren Gesprächen in der Villa Coligny am Genfer See ‚Frankenstein‘ entstanden war, in jener Nacht im Sommer 1816 …
‚Meine Erinnerungen reißen mich in Stücke‘ ist Hörspiel des Monats Juni. Auf packende und zugleich hochliterarische Weise spürt Autorin König damit - in mokanter Umkehr einer trivialen biografistischen Herangehensweise - dem Einfluss des Werks aufs Leben der Autorin nach, und weckt deren Erinnerung mittels einer faszinierenden Montage aus Bonmots, Gewaltfantasien, Zitaten und Gedichtauszügen der teuren Toten, ganz wie Shelleys Romanheld sein Geschöpf aus Leichenteilen zusammenfügt. Durch realistische Geräusche (Flügelschlagen, Donner, Kaminknistern) entstehen Klanglandschaften, die sich, dank Friederike Bernhardts diskreter Kunst mal unterlegt, mal durchkreuzt von artifiziellen atmosphärischen Sounds, von Cellospiel und elektronisch bearbeiteten Gesängen in Gedächtnis- und Seelenräume verwandeln, durchweht von subtilem Grauen. Dieser Umgang mit literarisch-kulturellem Erbe und seiner Last musealisiert es nicht, sondern belebt es geradezu unheimlich und fesselt die Hörer.“
Die Deutsche Akademie der Darstellenden Künste in Frankfurt am Main zeichnet jeden Monat ein Hörspiel aus den Produktionen der ARD-Anstalten aus. Die Entscheidung über das HÖRSPIEL DES MONATS trifft eine Jury, die jeweils für ein Jahr unter der Schirmherrschaft einer ARD-Anstalt arbeitet. Am Ende des Jahres wählt die Jury aus den 12 Hörspielen des Monats das HÖRSPIEL DES JAHRES.