"Das Timing, dieses schwierige Gebäudeenergiegesetz jetzt in diesem Frühjahr zu machen, das ist richtig", sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) im Interview der Woche im Deutschlandfunk. "Man könnte höchstens sagen, es hätte auch früher sein können, aber nicht später, auf keinen Fall." Das sei ein großes Gesetz, das über Jahrzehnte eine Wirkung entfalten werde. „Das ist ein Meilenstein in der deutschen Klimapolitik.“
Habeck verteidigt schwierige Entscheidungen
Wenn es jetzt sinkende Umfragewerte gebe, dann lasse ihn das "natürlich nicht kalt, weil es kein Bestreben gibt, Gegenwind zu erzeugen", aber wenn sich Politik nur nach Umfragen richten würde, dann würde nie eine schwierige Entscheidung getroffen, verteidigte Habeck das Vorgehen.
Viele Jahre seien verloren gegangen und schwierige Fragen seien nicht angegangen worden auch aus Angst vor Umfragen, so Habeck. „Ich will jetzt nicht das Interview sprengen, aber die Liste der Versäumnisse würde die 25 Minuten, die wir haben, ausfüllen und ich wäre noch nicht fertig damit.“
Jetzt aus Angst vor schwierigen Debatten, keine Debatten zu führen, könne nicht richtig sein. Dass auch in der Ampel-Koalition gestritten werde, habe ihn nicht überrascht. "Eigentlich hätte es mich überrascht, wenn es anders gekommen wäre. Denn es ist eben ein Bündnis, das komplex ist", betonte der Grünen-Politiker.
Habeck räumte ein, dass nicht gelungen sei, die Bedeutung des Gesetzes und auch die soziale Flankierung deutlich zu machen sowie die falschen Unterstellungen hinreichend klar zurückzuweisen. "Es heißt ja noch immer 'Heizungsverbot'. Was ist das für ein Quatsch? Niemand will Heizen verbieten, im Gegenteil." Aber die Schwierigkeit der Debatte sei auch in der Sache begründet, und deshalb müssten alle Fragen beantwortet werden.
"Es ist viel Geld, das wir ausgeben", sagte Habeck. "Aber es ist ja auch nur für eine begrenzte Zeit. Denn die Wärmepumpen, über die wir ja vor allem reden, werden günstiger werden."
Wirtschaftsminister steht hinter Staatssekretär Graichen
Nach den Vorwürfen der Vetternwirtschaft bei den Grünen steht Robert Habeck weiter hinter seinem Staatssekretär Patrick Graichen. Die Personalentscheidung Graichens sei ein Fehler gewesen, der benannt worden sei und jetzt korrigiert werde, so Habeck. „Ich möchte gerne ein Politiker sein, der Fehler zugibt.“ Das fordere er auch von seinen Mitarbeitern, seinen Kollegen und seinen Staatssekretären.
Pragmatismus statt Ideologie bei der Migrationspolitik
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) will eine schärfere EU-Asylpolitik durchsetzen und plädiert für ein Asylverfahren an den EU-Grenzen. Auch die FDP fordert neue Grenzzäune an den EU-Außengrenzen. Robert Habeck vertritt diesbezüglich einen „pragmatischen“ Ansatz. So müssten das Asylrecht, schnelle Prüfungen, Registrierungen und Verteilungen eingehalten werden. Aber niemand könne etwas dagegen haben, dass man genau wisse, wer nach Europa einreise, betonte Habeck.
Das Interview im Wortlaut
Jörg Münchenberg: Herr Habeck, ich habe mal nachgeschaut, wir haben vor knapp einem Jahr das Interview der Woche auch zusammen geführt. Damals war Deutschland mitten in der Energiekrise. Man muss sagen, die Ampel hat damals doch relativ geräuschlos ein Gesetz nach dem anderen, eine Verordnung nach der anderen beschlossen, um den drohenden Energienotstand zu verhindern. Die Krise ist natürlich nicht ausgestanden – klar –, aber die Lage hat sich doch jetzt merklich erst mal entspannt. Für den Regierungsalltag der Ampel kann man das jetzt nicht zweifelsfrei feststellen, es knirscht – im Gegenteil – ja immer lauter. Ist regieren in der Krise also viel einfacher?
Robert Habeck: Nein, das kann man nicht sagen. Das wäre auch zynisch. Ich will aber einmal festhalten, dass dieses Land – und da haben ja viele Menschen mitgeholfen, die Wirtschaft, die Verbraucherinnen und die Verbraucher – wirklich Außergewöhnliches hingekommen hat. Und das ist auch eine politische Leistung. Eine Leistung, die eben viele Mütter und Väter hat. Aber mit aller Bescheidenheit und nicht, dass es vermessen klingt, es sind eben auch viele richtig große Entscheidungen getroffen worden, auch in meinem Ministerium. Und das waren teilweise sehr schwere Entscheidungen, sehr komplizierte Entscheidungen. In Stunden wurden Milliardensummen bewegt oder weitgehende Gesetze geschrieben. Das war also kein leichtes Jahr und regieren in dieser Krise war kein Spaziergang.
Münchenberg: Trotzdem würde ich ganz gerne in der Jetztzeit ankommen. Hat Sie das vielleicht nicht auch ein Stück weit überrascht, dass es doch so schwer ist? Dass auch die Bruchlinien innerhalb der Ampel immer deutlicher – ja – schon sichtbar werden? Weil eigentlich, wenn ich mich recht erinnere, war es ja so, Anfang des Jahres hieß es: ‚Ja, jetzt kennen wir uns sehr viel besser, jetzt wird das hoffentlich weniger ruckeln.‘
Habeck: Eigentlich hätte es mich überrascht, wenn es anders gekommen wäre. Denn es ist eben ein Bündnis, das komplex ist, also drei Parteien. Gut, wenn man so will, waren CSU/CDU auch zwei Parteien in der Großen Koalition, aber die sind natürlich in Wahrheit eine Parteienfamilie. Und es war auch nicht wirklich politisch-konzeptionell, politisch-intellektuell vorbereitet worden. Also, man hat viel über Schwarz-Grün, die GroKo, meinetwegen Rot-Grün oder so was, nachgedacht. Aber die Ampel war … es gab jetzt keine Vorbereitung auf Landesebene beispielsweise. Es ist auch danach keine Ampelkoalition entstanden.
Insofern ist das ein Bündnis, das beim Arbeiten zusammenwachsen muss. Das erklärt einiges – diese doch mühseligen Abstimmungsprozesse – und es erklärt dann doch nicht alles, das will ich auch sagen. Dass wir uns so beeinflussen lassen von äußeren Stimmungen und die Versuchung, sich gegenseitig zu profilieren, nicht ausgebremst wird und abgeriegelt wird, macht es nicht leichter. Wir können natürlich besser werden – ich will das gar nicht schönerklären, ich will nur sagen, es ist ein besonderes Bündnis, in einer besonderen Konstellation – viele schwierige Krisen, viele schwierige Fragen müssen beantworte werden. Und ja, wir können immer besser werden, die Nebengeräusche mal auszublenden und uns nicht gegenseitig zu profilieren.
Die Grünen im Umfragetief
Münchenberg: Sie sagen „Nebengeräusche“, die sind aber jetzt gerade ziemlich laut. Man kann, glaube ich, schon sagen, eine politische Zäsur ist das derzeit für Sie, aber auch Ihre Partei – abzulesen an den sinkenden Umfragewerten – der Konflikt um das Gebäudeenergiegesetz – das ist das faktische Einbauverbot für neue Öl- und Gasheizungen ab dem kommenden Jahr. Wenn man mal zurückschaut, jetzt in diesen Wochen der Aufregung, der heftigen Auseinandersetzungen, was war schlimmer: das schlechte Timing oder die schlechte Kommunikation, was zum Beispiel die finanziellen Hilfen des Staates angeht?
Habeck: Vielleicht darf ich einen Satz zu sinkenden Umfragen sagen und ich will natürlich nicht sagen, die sind egal, das wäre ja nativ, weil wir als Partei ja immer auch öffentlich gemessen werden. Aber sie steigen und sie sinken eben. Bei der Bundestagswahl hatten wir 14 Komma irgendwas, dann waren wir zwischendurch bei satt über 20, und jetzt sind wir irgendwie in der Mitte dazwischen. Was soll mir das sagen?
Münchenberg: Das lässt Sie kalt?
Habeck: Es lässt mich natürlich nicht kalt, weil es kein Bestreben gibt, Gegenwind zu erzeugen. Aber umgekehrt zu sagen, Politik kann nur dann funktionieren, wenn sie erfolgreich bei den Umfragen ist – also umfragengetriebene Politik –, wird dazu führen, dass man nie eine schwierige Entscheidung trifft. Und deswegen muss man im Grunde jetzt bereit sein, die Wette einzugehen und zu sagen, wir stellen uns den schwierigen Entscheidungen, wir haben so viele Jahre verloren.
Ich will jetzt nicht das Interview sprengen, aber die Liste der Versäumnisse würde die 25 Minuten, die wir haben, ausfüllen und ich wäre noch nicht fertig damit. Und es ist, glaube ich, nicht falsch zu sagen, sie wurden auch nicht angegangen, die schwierigen Fragen, weil man Angst vor Umfragen hatte und vor Wahlniederlagen und vor persönlichen Verlusten. Und das ist nicht mein Amtsverständnis.
Münchenberg: Aber noch mal konkret jetzt, wir reden …
Habeck: Ich will das jetzt, ich will meinen Job so gut machen, wie ich kann, und danach wird irgendwann darüber entschieden werden, ob das gewollt ist, dass ich das so lebe und die Partei es so ausfüllt oder nicht. Aber jetzt nicht aus Angst vor schwierigen Debatten keine Debatten, das kann nicht die richtige … dann können wir den politischen Laden auch dichtmachen.
"Niemand will Heizen verbieten"
Münchenberg: Aber hier wurden ja auch Fehler gemacht. Ich habe die Kommunikation angesprochen, auch das Timing. So im kurzen Rückblick, was wiegt da schwerer?
Habeck: Das Timing, dieses schwierige Gebäudeenergiegesetz jetzt in diesem Frühjahr zu machen, das ist richtig. Man könnte höchstens sagen, es hätte auch früher sein können, aber nicht später, auf keinen Fall. Und früher ging halt nicht, weil – Sie haben es angesprochen – im letzten Jahr alle bis zur Oberkante Unterlippe damit beschäftigt waren, Deutschland vor einer schweren Energiekrise zu bewahren. Und die Kommunikation, natürlich, selbstkritisch, muss man sagen, es ist nicht gelungen, in der ersten Welle die Bedeutung, aber auch die soziale Flankierung und auch die falschen Unterstellungen hinreichend klar zurückzuweisen. Es heißt ja noch immer Heizungsverbot – ja, was ist denn das für ein Quatsch?! Niemand will Heizen verbieten, im Gegenteil!
Und Herausriss von funktionierenden Heizungen aus dem Heizungskeller – es ist nicht hinreichend gelungen, zu sagen, das steht da gar nicht drin. Aber die Schwierigkeit der Debatte ist auch in der Sache begründet. Selbst mit einer perfekten Kommunikation – die natürlich niemand garantieren kann –, wird dieses Gesetz – und es wird auch andere geben – immer zu – und das will ich unterstreichen – zu berechtigten gesellschaftlichen Nachfragen kommen.
Das ist auch richtig und wichtig. Ich habe es eben schon gesagt, wir haben eher zu wenig darüber diskutiert, was die abstrakten Beschlüsse – wir wollen 2045 klimaneutral sein, alle finden das toll, alle sagen, am besten noch schneller – konkret bedeuten. Und es hat eben eine Konsequenz und da müssen wir uns eben entscheiden: Wollen wir die Beschlüsse nur vor uns hertragen, wie eine Monstranz, aber nicht dafür arbeiten, dass sie Wirklichkeit werden oder dafür arbeiten?
Münchenberg: Das klingt aber, mit Verlaub …
Habeck: Und dann wird es schwierig, ja, dass Menschen sagen: ‚Was heißt das für mich, wie teuer wird es, geht die Technik?‘ Das sind ja alles …
Münchenberg: Aber darum geht es ja.
Habeck: Ja.
Münchenberg: Sie greifen mit dem Gesetz wirklich quasi in den persönlichen Hausstand jedes Menschen ein.
Habeck: Genau. Und deswegen finde ich auch den Teil der Debatte völlig richtig. Und der muss geführt werden. Und wenn Sie mich noch mal für eine Nachtsendung einladen wollen, stehe ich allen Fragen zur Verfügung, denn sie müssen alle beantwortet werden jedenfalls. Wir können natürlich nicht 40 Millionen Fragen beantworten, aber schematisch beantwortet werden. Der Teil der Debatte ist geradezu notwendig. Wir haben ja zu wenig darüber diskutiert.
Das bereue ich überhaupt nicht, davor habe ich keine Angst, das beklage ich nicht, das finde ich richtig. Ich weise nur aber auch darauf hin, dass, wenn man sagt, die Debatte ist schwierig und die Konsequenz ist, dann lass uns lieber keine Debatte führen, also kein Gesetz machen, also weiter Öl- und Gasheizungen einbauen; dann sollte man auch irgendwann aufhören zu sagen, wir werden Klimaschutz ernst nehmen oder klimaneutral 2045 sein, weil es einfach logisch nicht mehr aufgeht. Und wir sind schon an der Grenze dessen, dass es logisch nicht mehr aufgeht.
Gerechte Finanzierung bei Heizungsmodernisierung
Münchenberg: Herr Habeck, Sie haben vorhin gesagt, man darf jetzt nicht nur immer auf die Umfragen schielen. Nun ist die grüne Fraktion jetzt nach vorne geprescht, hat plötzlich eine Förderung von 80 Prozent ins Spiel gebracht, gestaffelt nach Einkommen, natürlich. Das klingt doch eigentlich schon eher nach Verzweiflung, dass man jetzt mit aller Macht versucht, dieses schlechte Image, was die Grünen haben, die schlechten, massiv schlechten Umfragewerte doch noch irgendwie zu retten?
Habeck: Noch mal, ich will das gar nicht schönreden, wir sind ja nicht gerade im Umfragerausch, aber massiv schlecht ist es nun auch nicht, dafür, dass wir seit Monaten im Gegenwind stehen. Und der Vorschlag ist, meine ich, eine Antwort auf die Ankündigungen der Koalitionspartner. Wir müssen da noch mal richtig reingucken. Denn diesen Vorschlag hatten wir schon intern. Das ist keine Verzweiflung, sondern ganz im Gegenteil. Es gab bei den Regierungsberatungen den Vorschlag, bei der Förderung das Einkommen zu berücksichtigen.
Das konnten wir dann nicht machen, weil argumentiert wurde vom Finanzministerium: ‚Über die Förderung von ökologischen Gütern machen wir keine Steuerpolitik, wir haben ein Steuersystem und so könnte man den Vorschlag der Grünen dann ja auch deuten, dann nehmen wir halt das Steuersystem. Wir machen eine höhere Förderung, aber sie wird versteuert, sodass dann diejenigen, die Spitzensteuersatz bekommen, eben nicht 80 Prozent Zuschuss bekommen, sondern eben nur 40 dann – die Hälfte ist weg.’ Und dann hat man einen sozialen Ausgleich, der wahrscheinlich gerechter ist als das, was wir jetzt vorgeschlagen haben oder sozial ausbalancierter ist, als wir vorgeschlagen haben. Nur, innerhalb der Regierung war das nicht einigungsfähig. Wenn es im Parlament gelingt, da weiterzukommen, kann ich es nur begrüßen. Denn gerechter fände ich es.
"Es ist viel Geld, das wir da ausgeben"
Münchenberg: Aber die Frage ist ja auch die der Finanzierung. Schon bei den bis zu 50 Prozent Förderungen gibt es ja durchaus Probleme. Das soll ja ganz aus dem Klimatransformationsfond bezahlt werden. Der ist faktisch schon überbucht. Es ist immer einfach, noch mehr Geld obendrauf zu satteln, die Frage ist, wo kommt das Geld am Ende her?
Habeck: Na, das würde ja zur Hälfte zurückfließen. Im Moment sieht der Vorschlag der Bundesregierung vor, wir machen eine Förderung zwischen 30 und 50 Prozent – sagen wir mal, 40, jetzt schlägt die grüne Fraktion vor 80 und versteuern. Einige, die keine Steuern zahlen, haben halt 80 Prozent Förderung, diejenigen, die Steuern zahlen halt nur 40 und zahlen dann einen Teil zurück. Das wird vielleicht moderat teurer, aber nicht dramatisch viel teurer werden.
Und die Förderung, die wir gestaltet haben, passt in den Klima- und Transformationsfond. Es gibt jenseits des Haushalts einen Fond, der der Jährlichkeit entzogen ist, da wird jetzt schon die Sanierung, die Gebäudesanierung und auch die Förderung von Wärmepumpen daraus bezahlt. Jetzt, wo man eine Pflicht einführt, wird der Kreis der Beteiligten, die jetzt mitmachen müssen, moderat größer. Das sind niedrige einstellige Milliardenbeträge pro Jahr, mit denen wir rechnen. Die können wir darstellen aus dem Fond. Insofern, das greift aus meiner Sicht nicht, dass man sagt, das ist unfinanzierbar.
Es ist viel Geld, das wir da ausgeben, aber es ist ja auch nur für eine begrenzte Zeit. Denn die Wärmepumpen, über die ja vor allem reden, werden günstiger werden. Wir haben das überall gesehen, bei Batterien, inzwischen bis zu Erneuerbaren Energien – die Skalierung, die Menge macht es und die Produktionskapazitäten werden ja deutlich erhöht. Wir werden in den nächsten Jahren einen deutlichen Rückgang des Preises bei Wärmepumpen sehen. Deswegen reden wir über einen begrenzten Zeitraum, wo ein bisschen mehr Geld ausgegeben wird, und das wird sich dann aber im Markt einpendeln.
"Ein Meilenstein in der deutschen Klimapolitik"
Münchenberg: Eine Frage noch zu diesem Komplex – das ist ja im Augenblick im parlamentarischen Verfahren, haben Sie auch gesagt. Es gibt ja mittlerweile auch schon Forderungen, die sagen: Lasst uns das noch ein bisschen schieben, ein bisschen puffern, nicht eben 2024, sondern 2025 zum Beispiel. Ist das überhaupt keine Option für Sie?
Habeck: Na, wir kommen ja von 2025. Und dann hat der Koalitionsausschuss, der ja aus FDP und SPD genauso besetzt wird wie von den Grünen, in der Energiekrise gesagt, wir haben nicht so viel Zeit, wir müssen das vorziehen. Deswegen ist das Gesetz so gemacht worden. Das, finde ich, ist mit Blick auf die parlamentarischen Beratungen – wenn es jetzt nicht zu einer ewigen Verschiebung kommt – natürlich genauso relevant, darüber nachzudenken, ob man später einsetzt oder ein bisschen später einsetzt – wie zu sagen, wir schaffen das, wir können das jetzt durchziehen. Da bin ich maximal pragmatisch, an der Stelle.
Auch so sind die Übergangsfristen, die Anpassungsfristen im Gesetz ja – wie ich finde – immer üppiger gestaltet worden, und damit habe ich überhaupt gar keinen Schmerz. Das Einzige, was ich nicht möchte, ist, dass man die Übergangsfristen oder die technischen Optionen so gestaltet, dass man in Wahrheit gar nichts macht oder darauf hofft, dass eine nächste Wahl das wieder korrigiert – was sie natürlich immer kann, aber nicht sollte, an der Stelle. Und das werden jetzt die Fraktionen in ihrer Weisheit beraten. Aber ich weiß für meine Fraktion, für die Grünen, dass sie genauso rangehen. Das ist ein großes Gesetz, das über Jahrzehnte eine Wirkung entfalten wird. Das ist ein Meilenstein in der deutschen Klimapolitik.
Da kann man in der konkreten Umsetzung auch pragmatisch sein, aber die Meile muss gegangen werden, also man muss da jetzt loslaufen. Und das markiert sozusagen die Grenze der Flexibilität. Da, wo unter dem Deckmantel von „lass uns noch mal darüber nachdenken oder ein bisschen technische Entwicklungen abwarten“ eigentlich gesagt wird, „wir wollen weiter Öl- und Gasheizungen einbauen“, und zwar als gäbe es kein Morgen und als hätten wir keine Beschlüsse, da ist dann sozusagen die Grenze der Flexibilität erreicht.
Der Fehler von Patrick Graichen
Münchenberg: Im Interview der Woche des Deutschlandfunks, heute Vizekanzler und Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck von den Grünen. Herr Habeck, Energiewende hat mit Kommunikation zu tun, mit Glaubwürdigkeit, wenn es um die konkrete Umsetzung geht – da haben wir drüber gesprochen.
Nun hat Ihr wichtigster Organisator im Ministerium Staatssekretär Patrick Graichen einen schweren politischen Fehler begangen, unbestreitbar – das sagt er auch selber. Er hat sich in der Findungskommission für seinen Trauzeugen, Michael Schäfer als Chef der bundeseigenen Energieagentur ausgesprochen, der wurden dann später auch nominiert, Michael Schäfer. Nun ist von Filz und Vetternwirtschaft seither die Rede. Sie halten trotzdem an Graichen fest, einfach weil er fachlich unverzichtbar ist?
Habeck: Weil es ein Fehler ist, der zugegeben wurde und der korrigiert werden kann. Und das passiert jetzt. Und das ist – noch mal –, es ist ein Fehler, und ich finde, man muss dann die Kraft aufbringen, auch das zusagen. Es ist ja nicht so häufig, dass man proaktiv sagt, ja, hier ist ein Fehler passiert, im politischen Raum – das will ich aber, das verlange ich von meinen Leuten und auch von mir selbst. Und dann allerdings auch, wenn der Fehler korrigiert werden kann, muss er halt korrigiert werden. Und das tun wir jetzt.
Münchenberg: Da ist ja von „heilen“ die Rede – das Auswahlverfahren bei der dena wird neu aufgerollt, das ist klar. Aber trotzdem, es ändert ja nichts an dem Vorwurf der Vetternwirtschaft. Das kann man ja nicht aus der Welt schaffen, das lässt sich ja faktisch nicht heilen – so wie Sie es immer formulieren?
Habeck: Der Vorgang lässt sich heilen. Der Fehler ist begangen worden, das ist natürlich so. Und für den Fehler zahlt Patrick Graichen jetzt schon einen hohen öffentlichen Preis – wir alle. Aber die Substanz des Fehlers konnte noch korrigiert werden, nämlich eine neue Ausschreibung.
Münchenberg: Aber noch mal, es geht ja hier auch um die Glaubwürdigkeit der handelnden Personen. Gerade Patrick Graichen ist ja nicht irgendjemand, sondern er ist der maßgebliche Organisator, was die ganze Klima- und Energiewende angeht, die jetzt eben auch im komplizierten Verfahren ist, im Parlament, das haben Sie gesagt. Natürlich ist Ihr Staatssekretär doch auch politisch – ich sage es mal jetzt ein bisschen militärisch – angeschossen und auch seine Glaubwürdigkeit hat ja erheblich gelitten?
Habeck: Seine Glaubwürdigkeit in der Sache, die ist natürlich umkämpft, die Sache – wir haben eben darüber gesprochen. Und wir bewegen uns ja nicht auf einem neutralen Boden, wenn man sagt, man will Öl- und Gasheizungen oder den Verbrauch von Öl und Gas reduzieren, dann gibt es natürlich auch Interessen, die genau das nicht wollen. Ich erwarte überhaupt nicht von allen Seiten Applaus. Wir sind hier in einem sehr vermachteten, sehr umkämpften Terrain, wo viele Leute viel zu verlieren haben und auch andere was zu gewinnen haben.
Das heißt, meine Person, Patrick Graichen, wir werden es niemals allen recht machen können. Und Patrick Graichen steht da natürlich auch in der fachlichen Kritik, die aber natürlich immer auch eine interessenfachliche Politik ist. Die ist, denke ich, aber nicht berührt. Berührt ist – das muss man zugeben – durch diesen Fehler die Personalauswahlfrage, und deswegen ist es jetzt ganz wichtig, dass dargestellt wird, offengelegt wird, dass das ein Fehler war, aber an anderen Stellen Compliance-Regeln, Brandmauern eingezogen wurden, die auch funktioniert haben.
"Ich möchte ein Politiker sein, der Fehler zugibt"
Münchenberg: Aber selbst die SPD spricht mittlerweile von einem Geschmäckle – ich will jetzt nicht noch diese ganzen anderen familiären Verbindungen aufzählen, die sind ja auch bekannt, die hat man transparent gemacht. Aber ich frage mich trotzdem am Ende, wenn das jetzt weiter die ganze Zeit kokelt, beschädigt das am Ende nicht auch den Minister?
Habeck: Das ist keine gute Situation natürlich, auch weil sehr viele Leute damit befasst sind, die medialen Anfragen, die Anfragen aus dem parlamentarischen Raum zu bearbeiten, die haben ja auch eigentlich andere Aufgaben. Das ist jetzt gar nicht wegzureden, dass die Situation das Haus und uns intensiv fordert.
Trotzdem möchte ich gerne wiederholen, was ich gesagt habe: Es ist ein Fehler, ich möchte gerne ein Politiker sein, der Fehler zugibt. Von seinen Mitarbeitern, seinen Kollegen, seinen Staatssekretären, das Gleiche verlangt, das öffentlich darstellt, sich nicht wegguckt, das nicht vernuschelt, nicht sagt, ‚normales Geschehen, jetzt stellt euch mal nicht so an‘, sondern sagt, ‚hier, das ist mit meinen Regeln nicht vereinbar, das ist ein Fehler‘, dann aber auch den Fehler korrigiert und die fachliche Konzentration wieder auf andere Dinge lenkt.
Münchenberg: Trotzdem, Sie sagen, „einen Fehler heilen und sich entschuldigen“, das ist sicherlich ja auch alles sehr lobenswert, aber die Frage ist eben, wie schwerwiegend ist der Fehler und lässt er sich dann am Ende einfach entschuldigen?
Habeck: Nein, entschuldigen lässt er sich nicht, sondern es ist ein Fehler. Und die Frage, ob er entschuldigt wird oder eingeordnet wird in die Gesamtleistung, die kann nicht ich beantworten für andere. Für mich wiederum kann ich sagen, wenn ich von Leuten und von mir Fehler zuzugeben verlange und fordere, dann gelingt es nur, das durchzusetzen, diesen Politikstil zu leben, wenn es auch die Chance gibt, dann Fehler zu korrigieren.
Münchenberg: Grünen-Urgestein Jürgen Trittin war bei uns neulich auf dem Sender und er sprach von einer gezielten Kampagne jetzt auch von Lobby-Verbänden gegen die Grünen und auch gegen die Energiewende im Zusammenhang mit dem Fall Graichen. Sehen Sie das auch so?
Habeck: Es ist ein Fehler passiert, der in der persönlichen Verantwortung von Patrick Graichen liegt. Und das hat, glaube ich, mit Verbänden erst einmal gar nichts zu tun. Es ist ein Fehler, es ist ein Fehler, es ist ein Fehler – Punkt. Abgesetzt davon – und das ist auch legitim in einer Marktwirtschaft, in einer Demokratie, wo Leute Interessen haben – handelt es sich bei dieser ganzen Transformation natürlich auch um ein Ringen von Einfluss. Das ist ein umkämpftes Feld und da gibt es natürlich Gegenwind, das ist ganz klar – das kennen wir aber beim Kohleausstieg, Atomausstieg und so weiter schon länger.
Man verändert etwas und dann tut es halt auch weh und ergibt einen Widerstand und es erklärt natürlich auch manche Debatte. Ich will nur zwei Sachen feststellen: Darüber beklage ich mich nicht, das ist mein Handwerk, das ist mein Job, ich bin gewählt worden, so meine ich, um genau in dieser Debatte zu stehen, und sie hat dann wiederum nichts damit zu tun, dass aber an der anderen Stelle, an der Trauzeugenstelle, ein persönlicher Fehler begangen wurde. Und diesen persönlichen Fehler hat nicht die Gaswirtschaft begangen.
Die Grünen und neue Zäune an den EU-Außengrenzen
Münchenberg: Im Interview der Woche des Deutschlandfunks heute Vizekanzler und Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck. Herr Habeck, wir haben vorhin über die Schwierigkeit gesprochen, jetzt eines der zentralen Projekte dieser Regierung umzusetzen, die Klimawende. Da knirscht es eben gewaltig. Es gibt viele Diskussionen. Es ist ja aber nicht die einzige Krise, Migration ist das andere große Thema – das wird auch nächste Woche hier in Berlin eine große Rolle spielen. Wird die Ampel oder hat die Ampel da noch genug, ich sage mal, Kraft, Gestaltungswillen, sich dann auch noch so einer anderen Großkrise zuzuwenden?
Habeck: Ja, natürlich. Und ich will Ihnen kurz sagen – wenn ich noch einen letzten Satz zu der Energiepolitik sagen darf, und dann komme ich aber auch auf die anderen Fragen –, weil wir ja durchaus erfolgreich sind. Es entgeht mir nicht, dass es viele Zwischentöne in Debatten und Knirschereien gibt, aber der Ausbau der Solarenergie übertrifft jede Erwartung.
Münchenberg: Jetzt bitte nicht alles aufzählen.
Habeck: Windkraft, Wärmepumpen mehr, 110 Prozent Steigerung. Wir sind sehr erfolgreich. Wir haben die Energiekrise abgewandt. Und das heißt, wir wissen – das ist ein bisschen fast paradox –, wir wissen, obwohl wir uns so schwertun mit manchen Entscheidungen, dass wir am Ende zu guten Ergebnissen kommen können, auch wenn es teilweise 30-Stunden-Dauertagungen bedeutet. Deswegen werden wir auch Zuwanderung in den Arbeitsmarkt und Flucht und Asyl angehen. Und das werden wir, wie die anderen Sachen auch, auch erfolgreich tun, erfolgreicher als andere Regierungen. Nur kann ich Ihnen nicht versprechen, dass es ohne Debatte abläuft. Das hat noch nie geklappt.
Münchenberg: Aber es gibt ja auch, gerade für die Grünen, doch komplizierte Fragen, die an das eigene grüne Urverständnis gehen, zum Beispiel Asylverfahren außerhalb von EU-Grenzen. Die FDP fordert jetzt schon neue Grenzzäune an den EU-Außengrenzen. Können da die Grünen wirklich mitgehen?
Habeck: Ich möchte ein bisschen abschichten, aber die Antwort ist ja. Unterm Strich müssen Regeln eingehalten werden, das ist völlig klar. Das betrifft die Anwendung des Asylrechts, den Schutzstatus und eben für die Personen, die nicht dem Schutzstatus unterfallen dann auch die Ausweisung für Deutschland. Niemand kann etwas dagegen haben, dass wir genau wissen müssen, wer nach Europa einreist.
Das heißt also, mit Grenzkontrolle muss ich aber auch die Fairness verbinden, dass diejenigen, die kommen und die vor Krieg, Vergewaltigung, Bürgerkrieg fliehen und berechtigt hier sind, schnell registriert werden und dann schnell verteilt werden und nicht über Jahre in irgendwelchen Lagern festgehalten werden, als Faustpfand für andere politische Deals eingesetzt werden. Und wenn es darum geht, Rechtsförmigkeit und Kontrolle herzustellen und gleichzeitig die Humanität – die ja auch nicht bestens organisiert ist – durchzuführen und zu wahren und zu schützen, dann ist das völlig richtig.
Münchenberg: Aber man könnte ja auch die Sorge haben, dass da wieder so ein grünes Grundverständnis ein Stück weit aufgegeben wird, ich sage mal, wie z.B. beim Rückgriff auf die Kohlekraftwerke jetzt?
Habeck: Ja, aber jetzt muss man sich schon entschieden, wirft man den Grünen vor, dass Sie ideologisch ihre Sachen durchziehen oder dass sie pragmatisch sind?
Münchenberg: Aber vielleicht hat nicht jeder so viel Pragmatismus wie Sie?
Habeck: Beides geht nicht so gut zusammen.
Münchenberg: Das stimmt.
Habeck: Ja, der Unterschied ist, es gibt keinen Widerspruch an der Stelle. Ich glaube, wir brauchen eine Politik und ich würde für mich hoffentlich behaupten und für meine Partei ebenfalls, dass das bedeutet zu wissen, was man will, den Horizont im Blick halten und da auch standfest zu sein, aber in der Umsetzung pragmatisch. Heißt, bezogen auf Flucht und Asyl, es gehört zur DNA mindestens dieses Landes, ich würde sagen des Kontinents, nach Faschismus zusagen, diejenigen, die vor staatlicher Verfolgung und vor Krieg einen neuen Heimathafen suchen, die dürfen hier anlanden.
Das sind wir unserer Geschichte schuldig. Heißt wiederum nicht, dass es unorganisiert passieren muss, dass es nicht Registrierungen gibt, dass man es nicht steuern kann, dass man nicht weiß, wer hier nach Europa oder nach Deutschland kommt. Und da ist ja kein Widerspruch, außer man baut ihn künstlich auf, aber das sollten wir an dieser Stelle nicht tun.
Münchenberg: Nur zur Klarheit: Das, was Nancy Faeser, die Innenministerin vorgeschlagen hat, dass können die Grünen letztendlich mittragen?
Habeck: Es gibt eine geeinte Position zur Verhandlung der Flucht- und Asylpolitik auf europäischer Ebene. Und diese geeinte Position heißt, dass da auch große Schwerpunkte aus humanitärer Sicht drin sind, die die Verfahren und die Verteilung und die Behandlung der Menschen, die dann registriert sind und berechtigte Asylinteressen oder Asylgründe angemeldet haben, eher stärkt. Die hat Nancy Faeser jetzt nicht ganz rausgestellt in ihrem Interview, sondern es etwas aus Sicht einer Innenministerin, also law-and-order-mäßig dargestellt. Aber die anderen Punkte gibt es auch und das ist geeint zwischen allen Häusern, vom Außenministerium bis zu meinem Ministerium, und entlang dieser Linie müssen wir, wollen wir europäisch verhandeln.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.