Zwischen Trauma und Utopie
Subsahara-Afrikas postkolonialer Diskurs
Von Ursula Menzer
Dreh- und Angelpunkt des Denkens von Achille Mbembe sind die psychischen und sozialen, politischen und ökonomischen Folgen von Sklavenhandel, Kolonialismus, Rassismus. Die Bücher des Historikers und Politologen enthalten durchaus provokante Töne. Sie erscheinen seit 20 Jahren in Frankreich und inzwischen auch auf Deutsch, so die ‚Kritik der schwarzen Vernunft‘. Der französische Afrika-Historiker Raymond Mauny prägte Anfang der 60er-Jahre im frühen postkolonialen Diskurs den Ausdruck von Afrikas dunklen Jahrhunderten. Inzwischen erheben sich Einwände gegen diese Auffassung. Kulturwissenschaftler und Afrikanologen betonen heute nicht die dunkle, sondern die wiederzufindende Seite des historischen Subsahara-Afrikas. Obwohl Mitte des 21. Jahrhunderts die Mehrheit der Menschen aus Afrika stammen werde, stellt der Historiker und Politologe Achille Mbembe ein bemerkenswertes Desinteresse am Kontinent beziehungsweise an afrikanischen Gesellschaften fest, dessen Ursache er in Rassenvorurteilen erkennt. Das Rassekonzept ist für Mbembe ein Konstrukt des Fantastischen, eine nützliche Fiktion, um den Urmythos der Überlegenheit der sogenannten weißen Rasse und ihre Rechtfertigung in der Welt zu behaupten. Mbembe begreift Rasse als eine autonome Gestalt der Realität, die - obwohl politisch künstlich hervorgerufen und grundlos behauptet - in der Geschichte eine ungeheuerliche Wirksamkeit entfaltete und bis in die Gegenwart hinein wirkt. Achille Mbembe, geboren 1957 in Kamerun, besuchte eine katholische Missionsschule, studierte in Frankreich und lehrte in den USA und im Senegal. Zur Zeit ist er Professor am Institut für soziale und ökonomische Forschung an der Universität Johannesburg, Südafrika. Ursula Menzer ist promovierte Philosophin, schreibt Literarisches sowie für den Rundfunk, lebt als Autorin und Lektorin in Hamburg.