Gernot Wolfram liest aus seiner Prosa „Der leuchtende Augenblick“ (1/2)
(2. Lesung am 15.01.14)
In der jüdischen Tradition bedeutet Lesen nicht nur Wissenserwerb, sondern auch Kraftquelle des Augenblicks. Immer wieder haben Kulturphilosophen wie Walter Benjamin oder Aby Warburg auf diesen magischen Moment des Lesens hingewiesen. Zur Geschichte des Lesens gehören aber auch die Orte, an denen Menschen ihre besonderen Erfahrungen mit Büchern machen. Ob in Cafés, Krankenhäusern, Flugzeugen, U-Bahnen oder in politischen Verstecken, in Kriegszonen oder in den Ghettos der Alten und der Neuen Welt: die Lektüre verändert sich je nach Umgebung, in der Leser sich mit Texten beschäftigen. Der Autor und Kulturwissenschaftler Gernot Wolfram erkundet in diesem Essay das Verhältnis zwischen Leser, Büchern und Orten und zeigt wie stark es unsere Wahrnehmung von Kultur prägt. Sein Blick darauf erscheint als Schlüsselzugang zur Kultur, wobei er sich immer wieder auf bestimmte Traditionen jüdischen Kulturverständnisses beruft. Ein farbig und lebendig geschriebener Essay über die Macht des Lesens im Raum der Kultur.
Gernot Wolfram, 1975 in Zittau geboren, arbeitet als Journalist, Schriftsteller und Professor für Kunst- und Medienmanagement in Berlin. Bekannt sind seine Romane "Der Fremdländer" und "Samules Reise" und das Sachbuch "Paul Celan 1920 - 1970. Der Dichter des Anderen". Er wuchs in Nürtingen auf, studierte Germanistik und Kommunikationswissenschaft in Tübingen und an der Freien Universität Berlin. Sein Studium schloss er dort 2005 mit seiner Dissertation über Paul Celan und Chaim Nachman Bialik ab. Wolfram erhielt 1995 den baden-württembergischen Landespreis für Deutsche Sprache und Literatur, 2002 den Walter-Serner-Preis und wurde 2010 Inselschreiber auf Sylt . Im Deutschlandfunk liest Gernot Wolfram aus seinem jüngsten Band mit erzählerischen Essays: "Der leuchtende Augenblick" vor. Sie behandeln Orte und Zeiten des Lesens längs durch die Menschheitsgeschichte.