Wissenschaft im Brennpunkt
Ein fremder Herr in ihrem Kopf
Von nickenden Kindern und der Ohnmacht der Medizin
Von Franziska Badenschier
Das Kind fängt an zu nicken, bekommt einen Krampfanfall, ist wie weggetreten: So oder ähnlich ergeht es hunderten Kindern im Grenzgebiet zwischen Uganda und dem heutigen Südsudan - sie leiden am Kopfnick-Syndrom. Die Weltgesundheitsorganisation war da, ein Aufklärungsteam der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde war da, Forscher aus Uganda und Deutschland waren da - und immer noch ist unklar, was hinter dem mysteriösen Nicken steckt.
Chemische Waffen oder vergiftetes Speiseöl im Flüchtlingscamp, eine Infektion oder eine Allergie auf das heimische Getreide, der Fluch von nicht ordentlich bestatteten Nachbarn oder die Seelen der gefallenen Rebellen: Auf all das und so manches mehr fiel der Verdacht. Am wahrscheinlichsten ist, dass die Nick-Attacke eine Art epileptischer Anfall ist. Dafür spricht zum Beispiel, dass Standardmedikamente gegen Epilepsie in einigen Fällen helfen.
Eine US-amerikanische Nichtregierungsorganisation hat in der Region, aus der der Rebellenführer Joseph Kony stammt, ein Zentrum für Kopfnick-Kinder aufgebaut. Es gibt Medikamente und Mahlzeiten, Schulunterricht und Siesta. Nach anderthalb Jahren geht es vielen Kindern in dem Zentrum besser. Doch in den umliegenden Dörfern ist das Leid nach wie vor groß: Viele Kopfnick-Kinder hören auf zu wachsen, bleiben geistig zurück, liegen schließlich nur noch apathisch in einer Lehmhütte. Andere werden angepflockt wie Ziegen, damit sie nicht ins Feuer der Kochstelle fallen oder in einen Fluss.