Binge Listening
Wie Podcasts eine unwiderstehliche und auch fragwürdige Art des Erzählens wurden
Aus dem Englischen von Anna Panknin
Von Rebecca Mead
In unseren unruhigen, hektischen Zeiten werden Audio-Erzählungen immer beliebter und bieten eine Gelegenheit zum langsamen Abtauchen. Das Verführerische daran hat auch eine manipulative Seite. In den frühen Podcast-Zeiten, so ungefähr zehn Jahre her, gab es technische Grenzen, die eine größere Verbreitung limitierten. Podcasts mussten von einem Festnetzcomputer in einen MP3-Player oder iPod überspielt werden, also waren Podcasts etwas für Nerds, von denen sie ja auch gemacht wurden. Das änderte sich 2014, als Apple eine Podcast-App in das iPhone installierte. Abonnieren war einfach, noch besser, es war kostenlos. Die Explosion der Podcasts aber war keine technische, sondern eine kreative: die Veröffentlichung von ,Serial’, eine investigative Suche nach dem Mörder von Hae Min Lee, einer Highschool-Schülerin in Maryland, präsentiert von Sarah Koenig, Mitarbeiterin der Public Radio Show ,This American Life’. Millionen Hörerinnen und Hörer weltweit und ein Boom des seriellen Erzählens brachten die internationale Medienwelt auf Trab. Rebecca Mead betrachtet eine Szene, ihre Verheißungen und auch fragwürdige Wirkungen.
Rebecca Mead, geboren 1966 in London, Ausbildung an der Oxford University und New York University. Seit 1997 schreibt sie als feste Autorin für ,The New Yorker' und ,LA Review of Books'. Sie lebt in Brooklyn und London. Bücher: ,One perfect Day. The Selling of the American Wedding' (2007) und ,My Life in Middlemarch - a celebration of literature' (2014).