Dazwischen sein. Zwei Jahre nach den Protesten in Belarus
Die Übersetzerin Iryna Herasimovich im Gespräch mit Lara Sielmann
„Das Wissen, dass Ideologien und Hierarchien die Wirklichkeit nicht abdecken, wird zur körperlichen Erfahrung. Man weiß um die Grenzen der Sprache und des Zusammenseins.“
Iryna Herasimovich studierte an der Staatlichen Linguistischen Universität Minsk und ist seit 2009 freiberufliche Kuratorin und Übersetzerin. Bereits dreimal hat sie die Belarussisch-Deutsche ViceVersa-Übersetzerwerkstatt geleitet. „Das Leben jenseits der goldgelben Prospekte der Macht war ziemlich bunt. Ja, ich spreche von Belarus, von diesem vermeintlich weißen Fleck auf der europäischen Landkarte. Aber Weiß ist eigentlich eine Mischung aus anderen Farben und kann je nach Kombination und Lichtverhältnis unzählige Schattierungen aufweisen“, schreibt Iryna Herasimovich 2021 in einem Digitalessay für das Literarische Colloquium Berlin. „Um das zu sehen, ist ein künstlerischer Blick nötig, der imstande ist, sich von den alltäglichen Wahrnehmungsmustern zu lösen. Viel zu selten hat man mit solchen Augen auf unser Land geschaut.“
Zwei Jahre nach den großen Protesten in Belarus gegen die korrupte Wiederwahl des amtierenden Präsidenten Alexander Lukaschenko spricht Lara Sielmann mit Iryna Herasimovich über die belarussische Literaturopposition*.
Iryna Herasimovich, geboren 1978 in Minsk, ist Übersetzerin, Kuratorin und Essayistin. Sie hat Werke deutschsprachiger Autorinnen und Autoren wie Lukas Bärfuss, Georg Büchner, Monika Rinck, Nora Gomringer, Mehdi Moradpour, Jonas Lüscher, Michael Köhlmeier, Franz Hohler oder Franz Kafka ins Belarussische übersetzt. Seit 2018 kuratiert sie den übersetzerischen Teil des Forums „Literature Intermarium“ im Künstlerdorf Kaptaruny.
*Wir haben einen Halbsatz gestrichen, weil der zunächst geplante Aspekt in dem tatsächlich gesendeten Beitrag nicht mehr vorkam.