Kölner Kongress 2019
Von der Zukunft erzählen
Von Daniel Hornuff
Zukunft heißt, im Heute vom Kommenden zu erzählen. Die Plots dieser Erzählungen, etwa die Machtergreifung einer Künstlichen Intelligenz, die Besiedelung ferner Orte mit besserem Leben, die Unsterblichkeit unserer Körper, klingen zumeist neu und aufregend - und doch gehören sie zu den ältesten der Menschheit. Wer denkt, unsere Gegenwart sei utopiearm und visionslos, wird überrascht sein.
Im Zentrum des Essays steht die Zukunft - allerdings nicht als das, was tatsächlich einmal kommen wird, sondern als Erzählung. Denn so sehr bemängelt wird, dass unserer Gegenwart die großen Utopien fehlen, so sprudelnd sind die Visionen davon, wie Zukunft aussehen soll: Künstliche Intelligenz, Digitalisierung der Lebenswelt, Mensch-Maschine-Verknüpfungen, die Ausdehnung der Lebenszeit bis hin zur Unsterblichkeit, die Besiedelung neuer Planeten: Dies sind Plots, mit denen Zukunft heute erzählt wird. Und es sind Plots, die davon berichten, was sich Menschen schon immer unter Zukunft vorgestellt haben. Zukunft ist eine Fiktion, die offenbart, wie sich Menschen ihre Gegenwart durch Erzählungen vom Kommenden erschließen. Der Beitrag zeigt, wie tief aktuelle Vorstellungen von der Zukunft in der Vergangenheit verwurzelt sind - und wie wichtig das Erzählen von der Zukunft für gesellschaftliche, soziale und persönliche Identifikation ist.
Daniel Hornuff, geboren 1981, ist Vertretungsprofessor für Kunstwissenschaft an der Staatlichen Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Er hatte Lehraufträge an den Universitäten München, UdK Berlin, Wien, Mozarteum Salzburg, Tübingen und an der Bayerischen Theaterakademie August Everding. 2013 legte er seine Habilitation mit einer Arbeit über die Kultur der Schwangerschaft und venia legendi für das Fach Kunstwissenschaft vor.