Das Aufleuchten der inneren Flamme
Porträt des französischen Klarinettisten Louis Sclavis
Von Karl Lippegaus
Aufrechte Körperhaltung, dunkler Teint, schwarzes Hemd: Wenn Louis Sclavis zielstrebig die Bühne betritt, scheint man gefasst auf den Vortrag eines Flamencosängers, der langsam in die Jahre kommt. Doch in seinen Händen trägt er jenes schwarz und silbern schimmernde, merkwürdig gebogene Horn, das sein Markenzeichen wurde: die Bassklarinette. Ihr entlockt er Flüstern und Schreie von besonderer Intensität und Schönheit, die ein inneres Jubilieren verraten. Jedes falsche Pathos ist dem Mann aus Lyon, der seit 40 Jahren zu den bedeutendsten Jazzmusikern in Europa zählt, fremd. Er macht nicht viele Worte, er erzählt nicht sein Leben - er ist vielmehr ein Suchender, der stur und wortkarg eigene Wege geht. Man spürt eine gewisse Scham bei ihm, von sich selbst zu reden. Doch das heißt nicht, dass er sich jüngeren Musikern und neuen Ideen und Konzepten verweigerte, ganz im Gegenteil. Wer befürchtete, durch seine Popularität drohe der Jazz ein volkstümelndes Gebilde à la française zu werden, sieht sich - vor allem durch Sclavis‘ Aktivitäten im letzten Jahrzehnt - eines Besseren belehrt. Wie dieser Parcours verlaufen ist und was auf weit verzweigten Wegen passierte, versucht Karl Lippegaus im Gespräch mit Louis Sclavis zu ergründen.