Kulturpolitik
Das Museum als Ort der Utopie
Von Stefan Koldehoff
7.500 Museen gibt es in Deutschland, rund 106 Millionen Besuche wurden 2023 gezählt. Ein Drittel der Bevölkerung gibt an, mindestens einmal pro Jahr ins Museum zu gehen. Trotzdem stecken Museen seit Jahren in einer Dauerkrise.
Mal werden Museen Opfer ihres Erfolgs - wie der Louvre in Paris -, mal ringen sie um ihre wirklichen Aufgaben in Zeiten rasanter gesellschaftlicher Transformationen. Sind sie Speicher kulturellen Erbes, Wissensvermittler oder zeitdiagnostische Diskursmaschinen? Und auch politisch geraten Museen unter Druck, wenn sie eine Ausrichtung pflegen, die manchem nicht genehm ist, wie das Aufbegehren der AfD gegen das Bauhaus.
Das Museum ist ein Universum, in dem Jede und Jeder nach ihrem und seinem Platz suchen und ihn auch finden kann. Ein Ort, an dem es möglich ist, unsere merkwürdige, immer bedrohlicher scheinende Welt mit anderen Augen zu sehen - ohne dadurch in andere, parallele, virtuelle Welten zu flüchten.
Dies zu ermöglichen ist Aufgabe der öffentlichen Verwaltungen, des Staats, der Länder und Kommunen. Diese Freiheit hat der Staat zu gewährleisten, im Rahmen der geltenden Gesetze, aber nicht im Rahmen von Parteiprogrammen oder gar persönlichen Vorlieben oder gar eines meist ja ohnehin nur angenommenen Mehrheitswillens.
Für eine freie und offene demokratische Gesellschaft entscheidet sich auch am Umgang mit den Künsten, mit seiner kulturellen Vergangenheit, Gegenwart und - utopischen - Zukunft, wie sehr sie die Offenheit und die Freiheit und die Vielfalt, die sie auszeichnen, leben und ermöglichen will.
(Diese Sendung ist die gekürzte Fassung der von Stefan Koldehoff im Januar in Dresden gehaltenen „Harriet und Martin Roth Lecture 2025.)
Stefan Koldehoff, geboren 1967 in Wuppertal, hat Kunstgeschichte, Germanistik und Politikwissenschaften studiert und für FAZ, SZ, taz und den WDR gearbeitet. Bis 2001 war er stellvertretender Chefredakteur des Kunstmagazins „art“ in Hamburg. Seither arbeitet er von Köln aus als Kulturredakteur für die drei Programme des Deutschlandradios - seit 2023 als Chefreporter Kultur auch für den investigativen Dlf-Podcast „Tatort Kunst“. Stefan Koldehoff schreibt regelmäßig unter anderem für „art“ und „Die Zeit“.